Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 132

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Die Nachteile des Anknüpfens an das Bestehende sind ebenfalls klar: Es ist ein sehr langsames Entwickeln. Es ist eine Einseitigkeit, und es gibt viele ungelöste Fragen, wie etwa die Sicherheitsgarantien zwischen den Mitgliedern. Wir sehen, daß in der NATO die Frage der Konflikte zwischen der Türkei und Griechenland zwar aufs Eis gelegt, aber nicht wirklich gelöst wird. Es gibt die Frage der atomaren Bewaffnung, auf die zu Recht aufmerksam gemacht wurde. Es gibt auch noch die Frage exkolonialer Interessen einzelner Mitglieder, und es gibt sicherlich auch die psychologische Barriere für die Erweiterung, nämlich daß sich Mitglieder der ehemaligen anderen Seite einem gewandelten Relikt aus dem kalten Kriege anschließen müssen. (Abg. Scheibner: Die wollen ja alle hinein!)

Bei der OSZE-Tagung vor wenigen Tagen haben sich diese Bruchlinien klar gezeigt: Die osteuropäischen Länder wollen hinein, die westlichen Länder wollen, daß in der OSZE die NATO die führende Rolle übernimmt, und die Nachfolgestaaten der Sowjetunion haben für ein europäisches Sicherheitssystem plädiert, das mehr ist als eine sich verändernde NATO. (Abg. Scheibner: Trotzdem wollen sie alle in die NATO hinein: das Baltikum und so weiter!)

Sie rennen gegen Türen, die gar nicht so verschlossen sind, wie sie glauben. Denn: Ich meine, Österreich täte gut daran, als erste Lösung mit Möglichkeitssinn ein Sicherheitssystem mit einem umfassenden Vertrag anzustreben und mit einem gewissen Wirklichkeitssinn auch nicht die zweite Lösung auszuschließen. Natürlich bleibt abzuwarten, was sich entwickelt. Es ist noch nicht soweit. Aber vielleicht ist es eines Tages soweit, daß sich aus den bestehenden europäischen Verteidigungsstrukturen eine Konstruktion entwickelt, in der die Elemente eines europäischen Sicherheitssystems quantitativ und qualitativ die Relikte eines Militärbündnisses bei weitem überwiegen. Das wäre dann der Zeitpunkt, zu dem man die Frage einer österreichischen Mitgliedschaft stellen könnte. Um allen Irrtümern und Mißinterpretationen gleich vorzubeugen: Es ist wirklich noch nicht soweit, und es wäre wahrlich verfrüht, heute eine diesbezügliche Entscheidung oder Aussage zu treffen.

Manche drängen natürlich auf eine Entscheidung unter Verweis auf die notwendigen Sicherheitsgarantien. Hiezu meine ich: Österreich soll nicht eine Beteiligung an Sicherheitssystemen mit Sicherheitsgarantien verknüpfen, die es gar nicht braucht. Österreich hat jedenfalls in der Vergangenheit schon ausreichend bewiesen und ist auch in der Zukunft ausreichend in der Lage, konstruktive Beiträge für die internationale Sicherheit zu liefern, ohne daß dafür ständig vom NATO-Beitritt und vom Abschaffen der Neutralität auf der eine Seite geredet werden muß oder andererseits die NATO verteufelt und die Neutralität mystifiziert wird, wie es von mancher Seite geschieht. (Abg. Wabl: Was wird da mystifiziert?)

Ich weiß, wir leben in einer Zeit, in der man griffige, titelartige Formulierungen liebt, in der man ein Ja oder ein Nein haben möchte, aber wir alle wissen, wir leben gleichzeitig in einer Welt, in der die Lösungen nicht bloß schlagzeilenartig sind, nicht bloß ein Ja oder ein Nein darstellen, und deshalb ist es gut, daß wir bei unserer Haltung bleiben: auf die speziellen Sicherheitsinteressen Österreichs einzugehen und in der Frage der militärischen Strukturen eine flexible Position einzunehmen. Und eine flexible Position heißt in diesem Zusammenhang abwarten und dann beurteilen, heißt nicht Opportunismus, sondern garantiert, daß das Notwendige und politisch Sinnvolle tatsächlich gemacht werden kann und so ein Maximum an Sicherheit möglich ist. (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Dr. Stummvoll .)

17.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Mock. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.28

Abgeordneter Dr. Alois Mock (ÖVP): Meine Damen und Herren! Ich möchte das Thema Neutralität bewußt in einem besonderen Bemühen um den Dialog hier anschneiden. Ich glaube, es ist ein wichtiges Thema für die Zukunft unseres Landes, und es war ein wichtiges Thema in der Vergangenheit, aus der wir lernen sollen. Ich spreche deswegen vom Dialog, weil ich von den diesbezüglichen Aussagen der Kollegin Kammerlander sehr enttäuscht war. Ich werde später darauf eingehen.


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