Wenn wir uns überall beteiligen, wenn wir solidarisch mit den anderen ohne Wenn und Aber mittun, dann ist die Neutralität kein Problem, denn dann sind wir kein neutraler Staat mehr. Legen Sie offen, daß dieses Festhalten an der Neutralität nur mehr zur Beruhigung der Bevölkerung hier im Inland notwendig ist, weil Sie halt Versprechungen gemacht haben, die in Wahrheit nicht einzuhalten sind.
Trotzdem, Herr Kollege Schieder, kann es hier kein Diskussionsverbot geben, im Gegenteil: Wenn Sie hier sagen, daß sich irgendwann einmal ein neues Sicherheitssystem entwickeln wird, dann wäre es doch notwendig, jetzt bereits diese Diskussionen zu beginnen, weil man auch in der Bevölkerung einen Meinungsbildungsprozeß umsetzen muß.
Meine Damen und Herren! Zur Neutralität hat auch Kollege Mock festgehalten, daß diese – darin sind wir uns wohl alle einig – einen großen historischen Wert gehabt hat. Sie war die Bedingung für unseren Staatsvertrag und damit auch die Bedingung für den Abzug der Besatzungsmächte. Und seit 1955 hat sie auch die Funktion Österreichs als neutraler Puffer zwischen den Blöcken definiert. Österreich war ein Ort der Begegnung, all das war sehr wichtig.
Den Wahrheitsbeweis betreffend den sicherheitspolitischen Wert mußte diese Neutralität Gott sei Dank nie wirklich erbringen, Herr Kollege Schieder, denn all unsere Verteidigungsdoktrinen waren doch nicht auf die sicherheitspolitische Funktion der Neutralität ausgerichtet, sondern doch eher auf den Versuch, so lange durchzuhalten, bis von der NATO Hilfe nach Österreich gekommen wäre. Das waren doch unsere sicherheitspolitischen Doktrinen auch in den Zeiten des kalten Krieges, in denen man noch zu 100 Prozent zur Neutralität gestanden ist. Man kann doch nicht hier so tun, als ob wir nie diese Beziehungen und dieses Hoffen und das Warten auf die NATO gehabt hätten.
Meine Damen und Herren! Wenn man schon diesen sicherheitspolitischen Wert der Neutralität in der Vergangenheit befürwortet hat, dann, Herr Kollege Schieder, müssen Sie mir sagen, welchen sicherheitspolitischen Wert eine ernstgenommene Neutralität heute noch haben kann. Sagen Sie mir das! Worin kann nach dem Zerfall des Ostblocks, worin kann in einer Zeit, in der es auch im Verteidigungsbereich eine immer größere Zusammenarbeit zwischen den Staaten gibt, der Sinn einer ernstgenommenen völkerrechtlichen Neutralität liegen?
Man muß doch wohl auch klarlegen, was das bedeutet, Herr Kollege Schieder. (Abg. Schieder: Aktive Friedenspolitik, Friedensforschung!) Was bedeutet eine ernstgenommene völkerrechtliche Neutralität? – Das heißt, daß man seine Sicherheits- und Verteidigungspolitik alleine und isoliert von anderen Staaten organisiert. Da rede ich gar nicht von Überflugsgenehmigungen und von Durchfuhrgenehmigungen von Waffen und sonstigem Gerät, sondern da rede ich nur von der Neutralitätspolitik, Herr Kollege Schieder, die auch in Friedenszeiten für einen neutralen Staat Voraussetzung ist, sodaß man sagen kann, man werde sich auch in Zukunft im Ernstfall aus allen möglichen Konflikten heraushalten, man werde selbstverständlich keiner Organisation beitreten, die kollektive Verteidigungsmaßnahmen vorsieht. Herr Kollege Schieder! Das wären die Bedingungen an einen dauernd neutralen Staat. Die Schweiz etwa hat es sehr ernst genommen. Sie hat gesagt, wir bleiben aus all diesen Sicherheitssystemen draußen: keine UNO-Mitgliedschaft, keine EU-Mitgliedschaft et cetera et cetera.
Herr Kollege Schieder! Sie, aber auch Ihr Klubobmann Kostelka, haben auch die Kosten eines NATO-Beitritts immer wieder ins Spiel gebracht. Man muß dann aber auch festhalten, daß man seine Verteidigung selbst organisieren und selbst finanzieren muß. Herr Kollege Schieder! (Abg. Schieder: Glauben Sie an Geisterstimmen? Ich habe das mit keinem Wort erwähnt!) Was würde das kosten, wenn wir sagen, wir müssen unser Bundesheer so weit aufrüsten, daß wir uns alleine gegen alle möglichen potentiellen Bedrohungen der Zukunft zur Wehr setzen können? (Abg. Dr. Cap: Hören Sie wirklich Geisterstimmen?) Da müssen Sie auch die Alternativen sehen. (Beifall bei Freiheitlichen.)
Denn die Alternativen sind nicht, so weiterwurschteln wie bisher oder der NATO beitreten, sondern die Alternativen sind, entweder Sicherheit gemeinsam mit anderen Staaten zu organisieren