Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 228

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Halten Sie solche Dinge bitte von der österreichischen Bevölkerung fern! Die 1 700 Mitarbeiter bei Semperit haben es sich nicht verdient, daß man nichts für sie tut. Sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister! Es wird nicht gehen, daß man sich einfach verschließt und sagt: Naja, da kann man halt nichts machen, die verlagern die Produktion in die Tschechei und nehmen halt den Firmennamen mit. Jetzt müssen wir halt schauen, daß wir die Schließungskosten irgendwo im Rahmen halten und das Ganze nicht so sehr explodiert, und dann ist der Fall erledigt.

Hier ist Handlungsbedarf gegeben. Da können Sie sich nicht zurücklehnen und sagen: Es kommt ein neues Belastungspaket auf die Österreicher zu, nämlich weitere 1 700 Arbeitslose, die aus dem Insolvenz-Entgeltfortzahlungsfonds finanziert werden müssen und den Schuldenstand dieses Fonds wieder explodieren lassen. Das führt wieder zu Beitragserhöhungen, die wieder auf Kosten der Arbeitnehmer beziehungsweise Arbeitgeber ausgetragen werden.

Nehmen Sie sich diesen Entschließungsantrag der Freiheitlichen Partei vor und lesen Sie ihn bitte durch. Der ist vernünftig. Auch die sozialistische Fraktion hat in vielen Wortmeldungen diesem Entschließungsantrag indirekt die Zustimmung gegeben. Es gab keine Abweichungen. Machen wir das gemeinsam – ich glaube, dann wäre es möglich, die Sache Semperit noch zu sanieren. Wenn nichts passiert, dann geht leider alles den Bach hinunter. Dafür haben wir leider schon zu viele negative Beispiele in Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

0.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

0.17

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte hat bisher eines ganz deutlich gezeigt – und sie war sicher sinnvoll und notwendig, das möchte ich schon außer Streit stellen –, nämlich daß es in der österreichischen Industriepolitik an der europäischen Dimension mangelt, und daß man offenbar auch im Kreis der Bundesregierung falsche Einschätzungen kolportiert hat, was die Möglichkeiten anlangt, einen halbprotektionistischen Außenhandel weiterzubetreiben, wenn man in der EU ist.

Daher sind die Bemühungen des Herrn Bundesministers, die er angekündigt hat, zwar verständlich, weil offenbar nicht mehr Phantasie da ist, aber sie werden nicht sehr hilfreich sein, wenn wir uns nicht dessen besinnen, was eigentlich Sache ist.

Mein Kollege Haselsteiner hat es sehr pointiert gesagt, aber ich möchte es dennoch wiederholen: Wenn wir uns nicht um die Standortqualität kümmern, werden wir immer wieder ähnliche Probleme haben. Und die Standortqualität heißt, daß eben Unternehmen dieser Größenordnung und dieser Kapitalanforderungen keine Abwanderungstendenzen aufweisen. Es ist nun einmal keine moralische Veranstaltung, einen großen Konzern zu führen. Das wollte Haselsteiner zum Ausdruck bringen: Daß man sich nicht darauf verlassen kann, daß irgend jemand aus Sympathie oder Zuneigung uns zuliebe etwas machen wird, wenn wir nicht entweder eine ordnungsgemäße, eine ordentliche vertragliche Grundlage in der Hand haben – das wurde zu Recht schon eingemahnt – oder eben ein vorteilhafter Standort sind, sodaß aus Eigennutz, aber zu unserem Vorteil hier investiert wird.

Wir haben ein Spannungsproblem im Verhältnis zu den Reformstaaten im Osten, und es gibt nun einmal dieses Lohndelta. Es wäre völlig naiv anzunehmen, daß nur deswegen, weil es uns so, wie es ist, nicht gefällt, die Lohnkosten in den vergleichbaren Ländern, beziehungsweise in den Ländern, mit denen wir im Wettbewerb stehen, sprunghaft steigen werden. Natürlich ist es auf lange Sicht als wahrscheinlich anzunehmen, daß sich die Lohnniveaus angleichen werden, aber – und hier möchte ich dem Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion ausdrücklich widersprechen – nicht in der Form, daß wir hinunterschrauben und die anderen unten bleiben. Es ist natürlich zu hoffen, daß sich der Wohlstand in unseren Nachbarländern so entwickelt, daß sich dieses derzeit vorhandene Lohndelta abbaut. Nur braucht es dazu einer offensiven österreichischen Industriepolitik und nicht irgendeiner protektionistischen Kirchturmpolitik, wie sie der Kollege Kaufmann hier eingemahnt hat.


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