Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 38. Sitzung / Seite 57

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sind für die Osterweiterung der Europäischen Union, wir sind dafür, daß die Reformstaaten möglichst rasch integriert werden. Das ist klar, dafür gibt es politische, sicherheitspolitische, ökonomische Überlegungen. Trotzdem ist es aber, glaube ich, richtig, über das Wie und über die Zeitläufe dieser Integration zu diskutieren. Denn ich weiß nicht, ob es für alle osteuropäischen Staaten so gut wäre, morgen bereits Mitglied zu sein, ob ihre Wirtschaften bereits in einem Ausmaß wettbewerbsfähig sind, daß sie auch im rauhen Wind der Konkurrenz in der Europäischen Union so gut überleben können. Ob es nicht auch für die osteuropäischen Staaten günstiger ist zu sagen, das Ganze ist ein Projekt für die nächsten sechs oder sieben Jahre – wobei ich keine Prognosen abgeben möchte –, um diesen Übergang vernünftig zu absolvieren, steht im Raum.

Zweiter Punkt: Wir müssen natürlich politische und strategische Vorfragen klären. Jeder weiß, daß es die Erweiterung nur geben wird mit einer Institutionenreform. Und Institutionenreform der Europäischen Union heißt Reform der Machtverteilung: Wer hat einen Machtzugewinn, wer hat einen Machtverlust, wieviel an Souveränität ist man bereit, an europäische Organe zu delegieren? Das ist eine sehr, sehr heikle Angelegenheit, aber eine Vorfrage für diese Osterweiterung.

Der dritte Punkt, den man ehrlicherweise auch klären muß, ist: Wird die Osterweiterung zusätzliche Kosten verursachen? Führen diese zusätzlichen Kosten dazu, daß die Subventionen an die Mittelmeerländer gekürzt werden? Ist das politisch möglich? Führen diese zusätzlichen Kosten dazu, daß im Budget der Europäischen Union umgeschichtet wird und zum Beispiel aus bisherigen großen Ausgabentöpfen weniger ausgegeben wird – zum Beispiel Reform des Landwirtschaftssytems –, oder führt es dazu, daß sozusagen die Nettozahler einen erhöhten Beitrag an das Budget der Europäischen Union zu zahlen haben? Und auf welche demokratische Akzeptanz wird das in den einzelnen Mitgliedstaaten treffen?

Ich meine, das sind die konkreten Fragen, die sich in diesem Zusammenhang der Osterweiterung stellen und die wir vernünftig zu diskutieren und auszuhandeln haben. Denn eines soll auch verhindert werden: nämlich daß durch ein Übermaß an Euphorie, die über das real Mögliche hinausgeht, der Bevölkerung vorgespiegelt wird, der europäische Zug fährt mit 250 Stundenkilometern, obwohl er in Wirklichkeit nur mit soliden 80 oder 90 Stundenkilometern ganz gemütlich vor sich hindschunkelt. Die Leute könnten den Eindruck haben, daß sie überfordert werden, unabhängig vom realen Tempo.

Wahr ist, was Delors immer gesagt hat: Nichts ist gegen die Menschen oder ohne die Menschen möglich, nichts bleibt ohne die Institutionen. Daher brauchen wir auch für diesen Prozeß der Osterweiterung die demokratische Zustimmung der Bevölkerung. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.12

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Kollege Gusenbauer! Deine Analyse über das Verhalten Europas war durchaus richtig, auch der Gegensatz, den du aufgezeigt hast hinsichtlich der Aussagen des Herrn Außenministers in der Frage der Bewältigung des Konflikts im ehemaligen Jugoslawien, wo ja Europa und die Europäische Union wirklich versagt haben.

Herr Außenminister, die Staaten der Europäischen Union haben es ja nicht einmal geschafft, das Wirtschaftsembargo lückenlos durchzusetzen. Da gab es erstens einmal ständig Diskussionen darüber, und zweitens ist das Embargo ununterbrochen unterlaufen worden. Europa war ja gar nicht so weit, militärisch dort einzugreifen (Abg. Mag. Stadler: So ist es!), vielmehr war die Europäische Union nicht einmal in der Lage, das Wirtschaftsembargo lückenlos durchzusetzen.

Herr Außenminister außer Dienst Mock hat es ja gesagt: Aufgrund dieses späten Einschreitens waren die Amerikaner leider notwendig, um dort zumindest fürs erste Ordnung zu schaffen.


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