Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 38. Sitzung / Seite 109

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Sie können doch von uns nicht das Beten eines Credos verlangen, dessen Text noch gar nicht feststeht. Wir wissen noch nicht, wie die Europäische Friedensordnung ausschaut, daher verlangen Sie von uns keine Positionierung. Wenn wir wissen, wie sie ausschaut, dann können wir eine Meinung dazu haben, und dann werden alle Verfahren der österreichischen Bundesverfassung dem Geiste nach und dem Wort nach eingehalten. Die beste Sicherheit ist für Österreich gerade gut genug! (Beifall bei der ÖVP.)

16.16

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Anschober. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.16

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Klubobmann Dr. Khol, Sie erzählen uns auch wieder gebetsmühlenartig, aber erst seit den letzten Tagen, daß Sie nicht wissen, was 1998 herauskommen wird. (Abg. Dr. Khol: Wissen Sie es?) Interessant ist, daß Sie das in den letzten Tagen nicht mehr wissen, aber Ihre Spitzenkandidatin für die EU-Wahlen weiß es ganz genau. Auch Ihr Verteidigungsminister weiß es ganz genau. Da wird im Verteidigungsausschuß präzise und klar ausgedrückt, was seiner Ansicht nach und nach Ansicht der ÖVP sicherheitspolitisch nach 1998 der richtige Weg ist, nämlich die Annäherung an die NATO und der Beitritt zur NATO. – Also dieses Unwissen bei Dr. Khol und der ÖVP, das so plötzlich wenige Tage vor den Europawahlen ausgebrochen ist, scheint mir wenig glaubwürdig zu sein. (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben hier eine sehr klare und deutliche Frage gestellt und die entsprechende Antwort darauf beantragt. Die Frage war jetzt nicht: Beitritt zur NATO, Beitritt zur WEU?, die Frage war: Volksabstimmung in diesem Fall – ja oder nein? Befragen Sie die Bürger und Bürgerinnen – ja oder nein?

Und darauf würde es eine sehr einfache Antwort geben: ja oder nein. Das sind ganz einfache Wörter, die wir hier eigentlich ganz normal verwenden könnten. Jede Partei könnte in diesem Fall ja oder nein sagen.

Wir haben heute eine substantielle Antwort bekommen, eine substantielle Antwort, die für mich tatsächlich neu war und die für mich ein positiver Fortschritt gewesen wäre. Diese substantielle Antwort erfolgte seitens des Bundeskanzlers, der formuliert hat oder formulieren hat lassen: So wäre dazu sicher das Volk zu befragen und eine Volksabstimmung durchzuführen. Das ist eine völlig klare Antwort. Ebenso klar wäre die Unterstützung von unserer Fraktion gewesen. Das wäre eine substantiell neue Antwort und eine klare Positionierung seitens der Bundesregierung gewesen.

Ich wiederhole noch einmal: eine Volksabstimmung durchzuführen ist. Aber, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, leider gilt halt das gesprochene Wort in diesem Haus, und das stand nur in Ihrem Redemanuskript. Jetzt frage ich mich: Warum, aus welchen nebulosen, nebensächlichen Gründen ist Ihnen Ihr eigenes Redemanuskript in dieser einen Zeile, nur in dieser einen Zeile, zu weit gegangen? Warum sind Sie hier vom Redemanuskript abgewichen und haben statt einer klaren Antwort, nämlich: Ja, das Volk ist in diesem Fall zu befragen!, völlig anders argumentiert und im alten Vranitzky- und Bundesregierungs-Stil formuliert: Es sollte ins Kalkül gezogen werden? Warum haben Sie das, was endlich einmal klar festgeschrieben war, wieder zurückgenommen und wieder Nebel, Nebel, Nebel in dieses Hohe Haus gebracht?

Ich sage Ihnen: Sie haben auf zweifache Art und Weise Angst vor dem Wähler. Sie haben erstens Angst vor dem 13. Oktober. Sie trauen sich nicht, hier klar zu sagen, ob Sie den Wähler in diesem Fall fragen würden und ob eine Volksabstimmung verpflichtend ist. Und Sie haben zweitens offensichtlich auch Angst vor der Volksabstimmung, denn sonst würde sich diese Bundesregierung klar positionieren und sagen: Jawohl, das ist eine demokratiepolitische Selbstverständlichkeit, eine Volksabstimmung würde natürlich durchgeführt. – Das war der eine Punkt.

Der zweite Punkt: Diese Unredlichkeit zieht sich ja in wesentlichen inhaltlichen Detailbereichen weiter durch.


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