Wir wollen aber auch noch mehr wissen – etwas, das über das Thema Semperit hinausgeht. Mir reicht es nicht, Herr Bundeskanzler, wenn auf der einen Seite Finanzminister Klima zum Thema Beschäftigungsunion erklärt: Ja natürlich, ich bin sehr dafür, selbstverständlich sind wir für die Beschäftigungsunion!, und zur gleichen Zeit einen Stabilitätspakt unterzeichnet, der auf absehbare Zeit, auf Jahre hinaus, jede beschäftigungspolitische Initiative auf europäischer und auf nationaler Ebene verunmöglicht.
Herr Bundeskanzler! Da haben Sie Erklärungsbedarf! Erklären Sie sich! Wird dieser Stabilitätspakt mit Hilfe und Unterstützung der österreichischen Bundesregierung angeleiert, wird Österreich diesem Stabilitätspakt zustimmen? Sind Sie wirklich der Meinung, daß die Konvergenzkriterien über das Jahr 1999 beziehungsweise 2002 hinaus erfüllt werden müssen – und zwar so lange erfüllt, bis wir weit unter diese 3 Prozent kommen? Sind Sie wirklich der Meinung, daß das um jeden Preis geschehen muß – auch um den Preis, daß es in diesem Land und in anderen europäischen Ländern noch mehr Arbeitslose gibt? Sind Sie wirklich der Meinung, daß diese Konvergenzkriterien so wichtig sind?
Offensichtlich sind sie es, denn Sie haben einen wichtigen Satz schon gesagt: Es ist ein Erfolg der Bundesregierung, daß die Inflation von 1995 auf 1996 auf unter 2 Prozent gedämpft werden konnte. Was Sie nicht gesagt haben, ist, daß mit diesem kleinen Erfolg – durchaus ein Erfolg – auch ein bedeutender Mißerfolg verbunden ist: Die Beschäftigtenzahlen sind von August 1995 auf August 1996 um 10 000 Personen zurückgegangen, die Arbeitslosenzahlen sind gestiegen.
Ich möchte auch, Herr Bundeskanzler, daß Sie sich dahin gehend erklären, daß nicht allein die Inflationsbekämpfung das oberste Ziel dieser Bundesregierung ist, sondern daß es, wenn es tatsächlich um die Beschäftigungsunion geht, natürlich die Sicherung der Beschäftigung ist, daß andere Instrumente von dieser Bundesregierung forciert werden müssen.
Und Sie haben leider, Herr Bundeskanzler, noch einen anderen bezeichnenden Satz gesagt im Zusammenhang mit dem Sparpaket: Jeder Österreicher trägt dazu bei, entsprechend seiner Wirtschaftskraft. – Das war Ihre Äußerung zum Thema Sparpaket.
Es tut mir leid, Herr Bundeskanzler, es ist nicht so, und Sie müßten das eigentlich wissen, denn dieses Hohe Haus hat ein Sparpaket beschlossen, das für Notstandshilfeempfänger eine monatliche Kürzung um 3 000 S oder 4 000 S beinhaltet. Ich kann Ihnen die Unterlagen geben, die vermutlich auch die Vertreter der anderen Parteien hier in diesem Haus von NotstandshilfebezieherInnen erhalten haben – ganz konkret von einer alleinerziehenden Mutter, die schreibt: Als alleinerziehende Mutter in meinem Alter und mit 40 Prozent Behinderung habe ich bei der jetzigen Wirtschaftslage sehr wenig Chancen, in Kürze einen Arbeitsplatz zu bekommen.
Ihr monatlicher Verlust bei der Notstandshilfe beträgt 3 978 S. 3 978 S pro Monat weniger! Erklären Sie diesen Personen, Herr Bundeskanzler, daß sie "entsprechend ihrer Wirtschaftskraft" von dieser Bundesregierung im Sparpaket herangezogen worden sind. Das ist Zynismus, das ist purer Zynismus, und gerade Sie müßten das eigentlich wissen!
Ich denke, Herr Bundeskanzler, wir brauchen Antworten von Ihnen. Sie müssen sich vor diesen Wahlen auch erklären, nicht weil es darum geht, billige Wahlpropaganda zu veranstalten, sondern weil es notwendig ist, Perspektiven in bezug auf die europäische Beschäftigungspolitik sichtbar zu machen, die weit über diese Zeit hinausreichen.
Auf der anderen Seite erklärt ein Mitglied dieses zukünftigen Europäischen Parlaments, Herr Swoboda, vollmundig, daß die Unternehmer zu sozialer Verantwortung verpflichtet werden müssen: Unternehmer, die Gewinne schreiben und gleichzeitig Arbeitnehmer entlassen, sollen verpflichtet werden, einen Teil des Zusatzgewinnes über einen gewissen Zeitraum den Arbeitnehmern zur Verfügung zu stellen. – Übrigens: Einen entsprechenden Antrag werde ich im EU-Parlament einbringen.
Das ist ebenfalls purer Hohn, denn Herr Swoboda kann keinen solchen Antrag im EU-Parlament einbringen. Das EU-Parlament kennt das Recht des Initiativantrages nicht. Er kann diesen Antrag nicht einbringen, weil das EU-Parlament nicht befugt ist, zu diesem Thema zu sprechen.