Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 43. Sitzung / Seite 24

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Sie haben gesagt, Sie wollen eine Lehrlingsoffensive starten. – Von der Lehrlingsoffensive, die Sie starten wollen, haben wir aber bis jetzt noch überhaupt nichts gemerkt. An Ihnen ist folgende Tatsache völlig vorbeigegangen: Ein Lehrling kostet 9 000 S, ein AHS-Schüler kostet 65 000 S, und ein Schüler einer HTL kostet im Jahr 93 000 S. Sie betreiben eindeutig eine Diskriminierung der Lehrlinge. Sie sprechen von einer Lehrlingsoffensive, führen aber eine Kommunalabgabe für die Lehrlinge ein (Abg. Verzetnitsch : Wer hat das verlangt?) und setzen sich darüber hinweg, eine Gleichstellung zwischen Lehrlingen und Absolventen berufsausbildender Schulen im Sinne der Mitversicherung herzustellen.

Sie reden von einer Gründeroffensive, führen aber eine Mindest-KÖST in der Größenordnung von 50 000 Schilling ein. Sie reden von Privatisierung, wissen aber ganz genau, daß die österreichische Bauwirtschaft derzeit mit Konkurrenzangeboten von Baufirmen konfrontiert ist, die zu 90 Prozent im öffentlichen Eigentum stehen, wie zum Beispiel hier in Wien, die in Tirol mit Dumpingpreisen "hineinfahren" – Beispiel: Umfahrung Kronburg – Zams – Landeck von der ÖBB, wo es eine Ausschreibung gegeben hat. Da die ÖBB jetzt privatisiert sind, ist die Anbotöffnung nicht öffentlich gewesen. Das Anbot der einen Firma lag bei 81 Millionen Schilling, jenes des Zweitbieters bei 95 Millionen Schilling.

Wenn man aufgrund der letzten Bilanzpressekonferenz die Betriebsergebnisse anschaut, ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um den Schlußsatz.

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (fortsetzend): ... wundert man sich nicht, daß sie solche Betriebsergebnisse erwirtschaften. Andererseits üben sie aber auf die private Bauwirtschaft einen sehr starken Druck aus, der zu einem weiteren Verlust von Arbeitsplätzen und zur Vernichtung von Volksvermögen führt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

11.45

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde unter der Überschrift "Budgetkonsolidierung und offensive Arbeitsmarktpolitik" gibt mir die Gelegenheit, ein paar Bemerkungen aus der Sicht des Liberalen Forums einzubringen.

Es ist ja schon einiges gesagt worden, aber ich habe das beunruhigende Gefühl, daß sich das meiste an der Oberfläche der Symptome bewegt und nicht an die Strukturen gegriffen hat. Gelegentlich wird das eine Argument als Ausrede für das andere verwendet – das kommt mir besonders dann so vor, wenn von der sogenannten Globalisierungsfalle gesprochen wird.

Selbstverständlich bedeuten weltweit offene Märkte eine große Herausforderung, und selbstverständlich bedeuten weltweit offene Märkte, daß man sich nicht zurücklehnen kann in den alten Lehnstuhl der Regulierungen, daß man nicht festhalten kann an einer Gewerbeordnung, die eher einer Zunftordnung als einem Rahmengesetz für das Unternehmertum entspricht. Das bedeutet gleichzeitig, daß wir einen anderen Zugang zur Arbeitszeitorganisation finden müssen, und zwar in mehrfacher Hinsicht: Das Element der Flexibilisierung ist etwas, das heute jeder im Munde führt – das ist völlig richtig. Es ist unbedingt notwendig, sich aus starren Organisationsformen zu lösen, also auch da im übertragenen Sinn Bürokratie zurückzunehmen, aber es ist auch notwendig, Rahmenbedingungen zu schaffen, daß die Flexibilisierung so gelebt werden kann, daß einzelne Mitglieder der Gesellschaft in absoluten Stunden ausgedrückt weniger arbeiten, aber trotzdem nicht zugrunde gehen. Das heißt, wir müssen Flexibilisierung mit der Komponente ausstatten, daß soziale Sicherheit von der Erwerbsarbeit entkoppelt ist. Wenn wir das nicht machen, dann sitzen wir in einer Arbeitszeitfalle, dann zwingen wir immer weniger Leute, letztlich immer mehr zu arbeiten. Gleichzeitig sind wir aber gezwungen, von diesen immer weniger werdenden Personen immer mehr abzuschöpfen, um alle jene, die wir künstlich aus der Arbeitswelt verdrängt haben – durch starre Regelungen –, zu alimentieren – ich sage bewußt "alimentieren", da ich bewußt einen negativen Unterton hineinlege. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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