Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 47. Sitzung / Seite 92

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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.20

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Es sind in dieser Debatte viele Argumente erwähnt worden, es gab auch viel Polemik. Ich will doch noch auf einige Argumente, die ich durchaus ernst nehme, eingehen.

Es kamen von seiten der Redner und Rednerinnen der ÖVP auch Argumente, die mit der christlichen Werthaltung und mit der Orientierung an Ehe und Familie zu tun haben. Meine Damen und Herren von der ÖVP! Ich finde trotz intensiven Studiums in der Bibel keinen einzigen Hinweis auf eine Diskriminierung homosexueller Menschen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich finde auch kein einziges Zitat aus dem Munde des Gründers dieser Religion, und ich denke mir, man sollte doch sehr vorsichtig sein, wenn man glaubt, christlicher als Christus selbst sein zu können! (Beifall bei den Grünen.)

Es stellt sich außerdem die Frage: Nützt es, fördert es Ehe und Familie, wenn man homosexuelle Menschen, wenn man Schwule und Lesben diskriminiert? – Wir haben diese Frage auch im Vorarlberger Landtag eingebracht. Herr Landesrat Dr. Hans Peter Bischof hat uns geantwortet: Es stehen aus den EU-Staaten, in denen es keine Diskriminierungen mehr gibt, keinerlei Daten zur Verfügung, die darauf hinweisen, daß aus der Aufhebung der Strafbarkeit der Homosexualität irgendeine Bedrohung von Ehe und Familie hervorgeht.

Eines ist allerdings richtig: Es stehen viele Ehen tatsächlich unter Druck. Es stehen vor allem sehr viele Frauen unter Druck! Wissen Sie, was diese Frauen brauchen? – Sie brauchen eine bessere soziale Absicherung, eine bessere Arbeitsmarktpolitik, eine bessere Vereinbarkeit von Kindern und Beruf! Was diesen Frauen aber überhaupt nichts nützt, ist irgendeine Diskriminierung von Homosexuellen! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Eines noch, vor allem an jene, die vielleicht doch noch schwanken, wie sie abstimmen sollen: Es gibt sehr viele Scheinheiligkeiten in dieser Debatte! Es stört offenbar sehr viele nicht, daß zwar sexuelle Kontakte mit Männern unter 16 Jahren strafbar sein sollen, aber in diversen Medien, sogar in Tageszeitungen, barbusige 15jährige Mädchen, junge Frauen, regelmäßig abgebildet sind. Es stört manche auch nicht, wenn sie sexuelle Verbrechen an Kindern und jungen Menschen in einem Atemzug mit Homosexualität und Liebe nennen. Das eine hat doch mit dem anderen überhaupt nichts zu tun!

Ich bitte Sie, bedenken Sie noch eines: 14 Jahre, das ist eine Grenze, auch in unserer Rechtsordnung. Mit 14 Jahren sind junge Menschen in der Lage, zu arbeiten, einem Beruf nachzugehen, sie sind straf- und zivilrechtlich verantwortlich für ihr Tun. Sie sind – oftmals sogar noch jünger – Objekte der Werbung. Geschäftstüchtige Unternehmer wenden sich zum Zwecke der Werbung an diese jungen Menschen. Aber offenbar sollen sie nicht alt genug sein, um zu lieben!

Ich kann diese Diskriminierungen nicht verstehen, und ich sehe vor allem nicht, wo die Bedrohungen liegen. Und ich sehe vor allem nicht ein, weshalb es Ende des 20. Jahrhunderts noch möglich sein soll, Bestimmungen aufrechtzuerhalten, die eindeutig zwischen Männern und Frauen differenzieren und diskriminieren!

Wenn Sie, Frau Dr. Povysil, einen Unterschied zwischen jungen Männern und Frauen sehen, indem Sie davon ausgehen, daß es so etwas wie Verführung gibt, dann liegt genau darin die Diskriminierung. Offenbar stört es Sie viel weniger, wenn eine 14jährige junge Frau von einem vielleicht viel älteren Mann – unter Anführungszeichen – "verführt" und dabei vielleicht in einer Art und Weise geprägt wird, wie sie sich sonst nicht entwickelt hätte. (Lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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