Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 49. Sitzung / Seite 194

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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Dr. Pittermann vor. – Bitte, Frau Abgeordnete. Gleichfalls 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

20.48

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die Fortschritte der Medizin sowie höhere soziale Standards haben dieses Jahrhundert, insbesondere die zweite Hälfte, entscheidend verändert. Das durchschnittliche Lebensalter hat sich innerhalb von 100 Jahren fast verdoppelt – mit vielen gesellschaftspolitischen Folgen, wie Kostensteigerungen im Gesundheitswesen, längere Pensionszeiten, längere Zeiträume von Invalidität, Krankheit, aber auch Pflegebedürftigkeit, höhere Scheidungsraten, Zunahme der Single-Haushalte und ähnliches.

Seit Beginn des legendären "roten Wien" war diese Stadt immer bekannt für ihre hohen Gesundheitsstandards.

Als leidenschaftliche Ärztin, die anläßlich der Promotion den Hippokratischen Eid geschworen hat, und als Abgeordnete des Landes Wien kann ich es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, den Regierungsvorlagen 379 § 8 Abs. 1 Z 1 und 381 der Beilagen zuzustimmen. (Beifall der Abg. Haidlmayr. )

So sehr ich LKF, Großgeräteplan, Krankenanstaltenplan und Strukturreform begrüße, so sehr schmerzen mich die Begleitumstände. Im Ausschußbericht über den Beirat der Strukturkommission fehlt die größte Interessenvertretung: die Arbeiterkammer. Ich hoffe, es handelt sich dabei um einen redaktionellen Fehler, der ehebaldigst ausgemerzt wird.

Wir bemühen uns immer, Standards zu heben – zum ersten Mal senken wir sie bewußt. Man geht nicht gegen Gesetzesbrecher vor, sondern verändert die Gesetze so, daß wir das medizinische Niveau senken, damit kostengünstig für Krankenanstaltenerhalter auf Kosten von Patienten und Personal Spitäler geführt werden können.

Das Land Wien wird ein Landesgesetz erlassen, das diese Verschlechterung für das Land Wien verhindern soll. Ich bin sicher, daß Wien wegen der höheren Kosten massiv angegriffen werden wird, während die Bundesländer – in üblicher Manier – ebenso wie Privat- und Ordensspitäler aufwendigere Patienten in die Spitäler des Landes Wien abschieben, besonders gerne am Wochenende.

Es mag für Landespolitiker leicht sein, eine Rufbereitschaft zu fordern, wenn Prominente auf dem roten Teppich in das Spital hineingleiten; kaum einer, der ohne Ankündigung das Krankenhaus aufsucht.

Aus eigenem Erleben weiß ich, daß man viel Erfahrung braucht, um frühzeitig eine Verschlechterung des Zustandes des Patienten zu erkennen und fachgerecht zu behandeln.

Ich kann Sie aber beruhigen: Die Ärzte lauern nicht darauf, Behandlungsfehler aufzuzeigen, wissend, daß sie einen hoffnungslos überforderten Jungarzt einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen, ebenso den rufbereiten Arzt und den Primarius, eventuell auch das Pflegepersonal, nicht jedoch Spitalserhalter oder sparsame Landespolitiker, die Rufbereitschaft und LKF junktimiert haben.

Wir glauben, uns unser Gesundheitssystem kaum mehr leisten zu können. – Dazu ein paar Vergleichszahlen mit einem anderen Ressort: In den letzten 20 Jahren hatten wir um 300 000 Schüler weniger, aber um 50 000 Lehrer mehr. Für das Unterrichtsressort werden über 67 Milliarden Schilling ausgegeben, mehr als 87 Prozent sind Lehrerkosten, dies allerdings bei einer 5-Tage-Woche, 38 Wochen im Jahr und bei zirka 42 bis 45 Prozent vollbezahlter, unkontrollierter Arbeitszeit fern der Arbeitsstätte. – Aber vielleicht ernennen wir das demnächst auch zur Rufbereitschaft.


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