Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 57. Sitzung / Seite 168

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daß wir nicht in der Lage sind, die nach 1945 aufgebaute Sozialordnung auch verfassungsrechtlich abzusichern.

Meine Damen und Herren! Das, was diesen Staat und seine Gesellschaft nach 1945 im wesentlichen von den vorherigen Gesellschaftsordnungen unterscheidet, ist, daß nun ein soziales Grundnetz besteht. Und das abzusichern ist Aufgabe eines Bundesverfassungsgesetzes, das wir eingebracht haben. Der Gedanke, der dahintersteht, ist nicht zuletzt, daß für uns Sozialdemokraten Modernität nicht in der Beseitigung von sozialen Rechten und Arbeitnehmerrechten besteht. Die soziale Struktur und die sozialen Einrichtungen müssen vielmehr auch verfassungsrechtlich abgesichert werden.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie – auch unseren Koalitionspartner – ersuchen, sich nochmals zu überlegen, diese Vorlage, die jahrelang verhandelt wurde und zwischen den Sozialpartnern akkordiert ist, doch zum Gesetz zu erheben. Kommen Sie bitte nicht mit dem Argument, daß wir in eine Zeit gelangt sind, in der es um den Abbau sozialer Rechte geht, um den Wirtschaftsstandort Österreich zu sichern! Bitte lesen Sie die portugiesische Verfassung: Es handelt sich dabei um die Verfassung eines Landes mit einem Fünftel des österreichischen Lohnniveaus, in der sich aber ein sozialer Grundrechtskatalog im Umfang von mehr als 25 Artikeln befindet!

Zwischen Modernität und sozialen Grundrechten, der Aufrechterhaltung von Arbeitnehmerrechten, kann und darf es keinen Gegensatz geben. Ich bitte vor allem die Damen und Herren vom ÖAAB, diese Position zu überdenken! (Beifall bei der SPÖ.)

In gleicher Weise wäre es in meinen Augen nicht nur ein demonstrativer, sondern ein notwendiger gesetzgeberischer Akt des Verfassungsgesetzgebers, sicher- und klarzustellen, daß eine Ausgrenzung, Benachteiligung und Hintanstellung der Rechte von Behinderten in keiner Weise in Frage kommt. Meine Damen und Herren! Ich lade Sie ein, auch diesem unserem Antrag beizutreten, ein Diskriminierungsverbot für Behinderte in der österreichischen Verfassung zu schaffen! Wir sind der Verfassung dazu verpflichtet! (Beifall bei der SPÖ.)

21.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt nun von Herrn Abgeordnetem Dr. Feurstein vor. – Bitte, Herr Abgeordneter. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung werden angezeigt.

21.29

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Grundrechte bilden zweifellos eine ganz wesentliche Sicherheit für die Menschen in einem staatlichen Gemeinwesen. Dieses kann aber nicht so gestaltet werden, daß einseitig Schwerpunkte gesetzt werden. Wenn wir an ein solches Vorhaben herantreten, dann muß es umfassend sein und alle Bereiche des Lebens berücksichtigen, und zwar auch die Familie mit berücksichtigen! Das ist ein ganz wichtiger Gesichtspunkt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Dieses Verfassungsgesetz betreffend wirtschaftliche und soziale Grundrechte ist ja nicht neu. Vor genau fünf Jahren, im Jänner 1992, wurde diese Materie im Ministerrat bereits behandelt und mit den Argumenten, die ich jetzt erwähnt habe, einer weiteren Beratung zugeführt.

Wir sind nicht gegen solche Rechte für Arbeitnehmer, für die in der Wirtschaft Tätigen, für Selbständige und Unselbständige. Wir sind insbesondere auch dafür, daß die behinderten Menschen nicht benachteiligt werden. Ich möchte ganz eindeutig und klar feststellen, daß wir alle Vorschläge und alle Initiativen – wenn sie ehrlich gemeint sind –, durch die behinderte Menschen in ihren Rechten geschützt werden sollen, unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber ich frage mich: Wie werden dadurch etwa die Probleme der behinderten Menschen im Verkehr, beispielsweise bei der Benützung der Bundesbahn, gelöst? Wie werden die Probleme der behinderten Menschen beim Wohnen gelöst? Wird es jetzt zu einer behindertengerechten Gestaltung der Wohnungen kommen? Wie werden die Probleme der behinderten Menschen auf


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