Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 60. Sitzung / Seite 40

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– das ist schon wahr –, nur hatten wir gehofft, daß mit Ihnen eine neue Chance eröffnet wird. In dieser Hoffnung haben Sie uns schwer enttäuscht.

Sie haben uns auch noch in einem anderen Punkt enttäuscht: Herr Bundeskanzler! Es geht um Verfassungsrechte, es geht um Bürgerrechte, und es geht um Menschenrechte: Es ist Makulatur, wenn Sie es nur auf dem Papier schreiben und nicht klare Signale für Ihre persönlichen Positionen senden und damit eine Richtung vorgeben und eine Handschrift zeigen.

Heute noch, nachdem alle Argumente auf dem Tisch liegen – heute noch! –, so windelweich davon zu reden, daß man für die neuen Ermittlungsmethoden ist, aber ohne Einschränkung der Bürgerrechte, ist eine Leerformel! Das konnten Sie vielleicht vor einem halben Jahr sagen, das konnten Sie noch vor einem Jahr sagen – da war es auch schon in der Regierungserklärung –, aber heute können Sie das nicht mehr sagen, denn heute sind alle Argumente auf dem Tisch, heute haben Sie Farbe zu bekennen, heute haben Sie sich zu positionieren und zu sagen, ob Sie jene Entwürfe, die auf dem Tisch liegen, für richtig halten oder nicht. – Wenn Sie sie für richtig halten, dann nehmen Sie in Kauf, daß die Bürgerrechte mehr als beschränkt werden, dann definieren Sie sie nach Ihrer Nützlichkeit. Auch das sind wir gewöhnt, nur sagen sollte man es, damit man weiß, woran man mit Ihnen ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie aber haben in dieser Regierungserklärung nichts konkretisiert, wo man Sie irgendwie beim Wort nehmen könnte. Wenn Sie jetzt sagen, daß das Sozialsystem umgebaut werden muß, wenn Sie sagen, daß nur jene etwas bekommen sollen, die es brauchen, dann muß ich sagen: Das haben wir schon in Ihrer Erklärung als Finanzminister gehört. Sie haben gesagt, die Treffsicherheit der Transferleistungen für Familien werde gesteigert. Was haben Sie gemacht? – Sie haben die Transferleistungen gießkannenartig beschnitten. Wieviel ist Ihr Wort denn wert, Herr Minister? – Wenn ich mir anschaue, was Sie als Finanzminister gesagt und was Sie getan haben, muß ich sagen: Es ist eigentlich ohnehin relativ egal, was jetzt in dieser Regierungserklärung steht.

Aber in einem gebe ich Ihnen recht: Die großen Herausforderungen sind tatsächlich unser Sozialsystem und die Beschäftigungspolitik. Das ist genau der Punkt. Nur sehe ich nicht den Gegenpol so wie Sie, indem Sie sagen: entweder alles beim alten lassen oder Markt, Markt, sondern ich glaube, die Gegenpole sind: alle Menschen wie Schwache zu behandeln oder dem Recht des Stärkeren zum Durchbruch zu verhelfen. – Beides ist ein Übel. Ich möchte in keiner Gesellschaft leben, in der das Recht des Stärkeren das Leitmotiv ist, ich will aber auch nicht so entmündigt werden, daß alle gleich, aber so wie Schwache behandelt werden, so nach dem Gießkannenprinzip.

Es geht darum, mehr Markt zuzulassen, aber auch darum, die Voraussetzungen sowohl für die Anbieter als auch für die Nachfragenden gleich zu gestalten. Alle sollen die gleiche Chance haben, einen Zugang zum Markt zu bekommen; dann erst kann er funktionieren, und nur so werden Sie verhindern, daß sich das Recht des Stärkeren durchsetzt. – Das heißt, Sie müssen schon vorher beginnen.

Ich bedauere es daher zutiefst, daß kein Gedanke in Ihrer Regierungserklärung dahin gehend enthalten ist, daß es in Zukunft notwendig sein wird, die soziale Sicherheit vom Erwerbseinkommen abzukoppeln, weil es anders nicht mehr leistbar ist und weil wir eine Gesellschaft brauchen, in der die soziale Sicherheit kein Brosamen ist (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen) , keine Klostersuppe, sondern ein Anrecht. Das sehe ich als gesellschaftliche und politische Verantwortung an. – Sie sind uns die Antworten schuldig geblieben. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort und stelle Ihrem Wunsch entsprechend die Uhr auf 10 Minuten ein.

12.20

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der neue Bundeskanzler, Mag. Viktor Klima, hat uns heute seine neuen Regierungsmitglieder vorgestellt


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