Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 60. Sitzung / Seite 78

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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter. Sie haben eine freiwillige Beschränkung der Redezeit von 12 Minuten bekanntgegeben.

15.11

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Herr Bundeskanzler Klima! Die Regierungserklärung hat mich nicht überrascht. Sie hat mich weder besonders enthusiasmiert noch besonders betrübt. Eine Regierungserklärung ist eine Regierungserklärung. So haben wir sie offensichtlich auch zur Kenntnis zu nehmen. Da stehen einige nette Sachen drinnen, aber viel mehr war es in der Vergangenheit nicht und ist es auch jetzt bei dieser Regierungserklärung nicht geworden.

Einen Punkt möchte ich davon ausnehmen. Im Dezember haben wir eine Dringliche Anfrage zum Thema "Armut in Österreich" behandelt. Damals habe ich darauf hingewiesen, daß noch nie in einer Regierungserklärung im Hohen Haus oder in einer parlamentarischen Debatte über Armut in Österreich gesprochen wurde.

Herr Bundeskanzler! Ich rechne es Ihnen schon an, daß das Thema Armut zumindest in der Regierungserklärung steht und als Problem erkannt wurde, aber nur das Thema zu benennen und nicht auch über die Ursachen für oder die Maßnahmen gegen die Armut zu reden, das ist zuwenig.

Schon im Dezember gab es zwei Anträge der Grünen, in denen wir verlangten, daß ein Armuts- und Reichtumsbericht erstellt werden sollen. Das haben Sie, meine Damen und Herren, hier in diesem Hohen Haus abgelehnt. Wir sprechen nicht gerne über Armut, vor allem wollen wir nicht darüber berichtet bekommen. Wir sprechen offensichtlich auch nicht gerne über den Reichtum in diesem Land, den es ja geben muß, anders wäre ja die Anhäufung von Vermögen, von Geld- und Grundvermögen in Höhe von 6 000 Milliarden in diesem Land nicht erklärbar. Darüber sprechen wir lieber nicht. Damit halten wir es offensichtlich so, wie es Herr Finanzminister Lacina seinerzeit beschrieben hat: Wir zählen lieber Obstbäume, aber über die eigentlichen Dinge, über den Reichtum und die Armut in diesem Land, darüber wollen wir uns nicht verbreitern. Das interessiert die Regierung auch nicht.

Ich hoffe, Herr Bundeskanzler, daß Sie einen anderen Weg gehen und daß es gelingt, einen Schritt weiterzukommen bei der parlamentarischen Behandlung des Themas Armut. Ich hoffe, daß das ein Gegenstand wird – wenn schon nicht von Regierungsseite, dann wenigstens von Parlamentsseite. Und vielleicht nehmen Sie die Anregung, die jetzt auch von der Armutskonferenz gekommen ist, ernst, nämlich einen Armuts- und Reichtumsbericht zu erstellen und nicht entweder das eine – die Armut – oder das andere – den Reichtum – auszulassen.

Herr Bundeskanzler! Ich hätte mir gewünscht, daß Sie auch die Ursachen der Armut deutlicher benennen, als es in dieser Erklärung geschehen ist. Sie sollten aber nicht nur die Ursachen benennen, sondern auch die Konsequenzen für die Politik geltend machen. Das fehlt mir alles. Da hätten Sie nämlich, Herr Bundeskanzler, ganz sicher auch etwas in die Regierungspolitik hineinstochern müssen.

Wenn in diesem Land ein Notstandshilfeempfänger, egal ob Mann oder Frau, durch das Sparpaket der Bundesregierung eine Einkommenskürzung – das ist auch an Ihre Adresse gerichtet, Herr Kollege Hums – von 11 000 oder 12 000 S auf 7 800 S hinnehmen muß – und es gibt diese Fälle, wir haben solche Fälle auch hier schon dokumentiert –, wenn also in diesem Einkommensbereich eine Einkommenskürzung um 2 000, 3 000 oder 4 000 S erfolgt, dann erzeugt das Armut.

Das ist ein Armutsproblem, und das haben Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, auch durch Ihre Regierungspolitik mitverursacht! Ich spreche nicht über die anderen Gründe von Armut, ich spreche nicht über Arbeitslosigkeit, ich will auch nicht nur die Regierung für die Arbeitslosigkeit verantwortlich machen, aber der Zusammenhang zwischen den Maßnahmen, die Sie in bezug auf Arbeitslosigkeit gesetzt oder auch nicht gesetzt haben, und dem, was


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