Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 60. Sitzung / Seite 87

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Einen letzten Hinweis dazu auch noch: Neue Arbeitsformen ohne Entkoppelung der sozialen Absicherung von der Erwerbsarbeit in dem linearen Zustand, wie wir ihn jetzt haben, werden wir nicht schaffen. Denn wenn wir neue Arbeitsformen wie Flexibilität und Teilzeit lebbar machen wollen, müssen wir eine sozialpolitische Flanke dazu aufbauen. Wir können die Menschen nicht in irgendeine Erwerbsarbeit stoßen, die dann nicht ausreicht, die Lebensmittel zu finanzieren. Wir werden Doppelsysteme einführen müssen, wie etwa die Schweiz das mit dem Teilzeitarbeitsmodell getan hat. Wir haben einen solchen Antrag eingebracht.

Wir werden uns lösen müssen von der Vorstellung, daß nur der, der bereits gearbeitet hat, einen sozialen Anspruch hat. Daß das teuer sein wird und großer Anstrengung bedarf, weiß ich, aber ich meine, das muß einfach gesagt werden, denn alle Sparpakete dieser Welt haben nur dann einen Sinn, wenn wir im Ergebnis dann wirklich nicht nur in der Lage, sondern auch bereit sind, Politik für die Menschen zu machen. Wenn wir die Kraft dazu haben, müssen wir es auch tun, denn alles andere würde bedeuten, das Pferd von der falschen Seite aufzuzäumen.

Zu den sozialpolitischen Meilensteinen, die der Herr Vizekanzler angeführt hat, gehören 16 Milliarden mehr für die Familien – aber mit der Gießkanne! –, bessere Karenzgeldbedingungen als anderswo – daß es anderswo tatsächlich noch weit bessere gibt, nämlich flexiblere, hat er jedoch nicht erwähnt – und die Pflegegeldleistungen, die bekanntlich gerade erst unter den Rasenmäher geraten sind.

Schlußsatz: Das Integrationspaket kommt einmal vor in Ihrer Regierungserklärung, Herr Bundeskanzler, allerdings im Zusammenhang mit Kriminalitätsbekämpfung – und das hat mich wirklich beunruhigt. Wenn Sie für dieses Problem keinen anderen Platz finden als bei der Kriminalitätsbekämpfung, dann ist das keine gute Prognose für Grundrechte und Menschenrechte und Humanität. – Danke sehr. (Beifall beim Liberalen Forum)

15.53

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Tegischer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.53

Abgeordnete Brigitte Tegischer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren auf der Ministerbank! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Als Politneuling bin ich vor ungefähr einem Jahr voller Erwartung und voller Zuversicht in dieses Hohe Haus eingezogen und vor zirka einem halben Jahr wurde ich mit der Funktion einer Jugendsprecherin betraut.

Wenn ich nun dieses Jahr Revue passieren lasse, dann muß ich ehrlich zugeben, daß ich manchmal das Bedürfnis hatte, aufzugeben, zu sagen: Leute, es wird mir zuviel, ich fahre heim nach Osttirol, gehe meiner Tätigkeit als Sozialarbeiterin nach, widme mich meinen Hobbies und lasse es mir gutgehen. Aber dann gab es immer wieder Momente, Begegnungen und Ereignisse, die mich von diesem Schritt abgehalten haben. Ich habe erkannt, daß man nicht allen Menschen gerecht werden kann, und ich habe erkannt, daß man nicht alle Ideen, Vorstellungen und Träume in kurzer Zeit umsetzen kann.

Viele Menschen, vor allem junge Menschen haben Angst – das ist heute schon mehrfach angesprochen worden –, Angst vor Überforderung, Angst vor Arbeitslosigkeit, Sie haben Angst vor Globalisierung, Angst vor Entsolidarisierung, vor sozialer Isolation. Diese Angstliste könnte ich beliebig fortsetzen.

Viele dieser Menschen versuchen nun, diese Ängste zu mildern, indem Sie den oder die Auslöser für ihren unbefriedigenden Zustand – mehr oder weniger berechtigt – in uns Politikern und Politikerinnen sehen. Umso mehr Hochachtung sollen sie jenen Menschen und Politikern entgegenbringen, die klare Standpunkte vertreten, mutige Entscheidungen treffen und menschliche Größe besitzen, Spitzenfunktionen aufzugeben, um sie anderen zu überlassen.

Alle, mit denen ich in der letzten Zeit gesprochen habe, teilen meinen Respekt für Kanzler Vranitzky, der seine Funktion an der Spitze unserer Regierung und seinen Parteivorsitz vor 11 Tagen seinem Wunschnachfolger, dem jetzigen Kanzler Viktor Klima, überlassen hat.


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