Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 62. Sitzung / Seite 106

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Herr Minister! Sie selbst wissen ganz genau, ein Prozent beim derzeitigen Schuldenstand bedeutet weit über 10 Milliarden Schilling. Das war die Entwicklung der Geldpolitik.

In Amerika hat man darauf schon reagiert. In Amerika hat man insofern darauf reagiert, als man, da man gesehen hat, daß das ein Fehler ist, den Realzins auf die Wachstumsrate abgestellt hat. Dieser Ansatz sollte auch bei uns gefunden werden, um eine sinnlose Realverzinsung, eine sinnlos in die Höhe getriebene Realverzinsung zu verhindern, die auch dazu geführt hat, daß – und das wissen Sie selbst auch ganz genau – in den Konzernbilanzen der großen Unternehmen das Anlagevermögen immer kleiner geworden ist. Und aufgrund der hohen Realverzinsung ist alles ins Kapitalvermögen beziehungsweise in das Umlaufvermögen gegangen, weil dort eine höhere Rendite erzielt worden ist. Wäre das nicht passiert, hätte man rechtzeitig auf die Wachstumsrate umgestellt, hätte es eine viel höhere Investitionsneigung seitens der Unternehmer gegeben. Ich meine, in diesem Sinne sollte man wirklich darüber nachdenken, ob man nicht die Inflationsrate für die Realverzinsung ausscheiden sollte und die Wachstumsrate dafür heranziehen sollte.

Das waren ein paar Anregungen, über die man nicht hinweggehen sollte, über die man diskutieren sollte, die man nicht schlichtweg ablehnen sollte. Ich fordere Sie dazu auf: Laden Sie die Opposition ein, bei beschäftigungspolitischen Maßnahmen mitzutun! Ich glaube, dann werden wir einen sinnvollen gemeinsamen Weg finden. Wenn Sie immer nur glauben, Sie könnten es alleine machen, und alles andere als null und nichtig ansehen, dann werden Sie wahrscheinlich – wie in den letzten Jahren – Schiffbruch erleiden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. – Bitte, Frau Abgeordnete. Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 7 Minuten.

18.57

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Lassen Sie mich dem Thema Arbeit und Zukunft in vier Punkten annähern. 1996 legte die EU den Schwerpunkt auf das lebenslange Lernen. Das Unterfangen, beim Wort genommen, bedeutet ein radikales Umdenken, ein Lernen eben – Umdenken in bezug auf Arbeitszeit, Arbeitsform, in bezug auf das Verhältnis Bildung, Beschäftigung, Arbeitsmarkt. Das klingt vielleicht bekannt, ist aber offensichtlich noch nicht ernst genug genommen worden.

Es macht sehr besorgt, daß 83 Prozent der Arbeitslosen nur über eine Pflichtschul- oder Lehrausbildung verfügen, das heißt, das lebenslange Lernen noch nicht für sich verbindlich genommen haben, und daß dezidiert ein Drittel der Jugendlichen sagt, es wolle vom Lernen und von Bildung nichts mehr hören. Da ist also anzusetzen. Das ist auch Arbeitsmarkt- und Zukunftspolitik.

Schulen, die für die Zukunft ausbilden, müssen daher auf intellektuelle und kreative Fähigkeiten Bezug nehmen. Sie müssen bei Schülern den Eindruck vermeiden helfen, daß man mit dem Schulabschluß schon wer oder etwas ganz Bestimmtes sei und damit die Zukunft gerettet sei. Das ist nicht einfach in einem Maßnahmenkatalog umzusetzen, sondern da ist Bewußtseinsarbeit zu leisten, und zwar einerseits in Richtung mehr Demut und andererseits in Richtung unstillbare Neugierde. Das muß ein Programm sein!

Bei aller Aufmerksamkeit, die heute schon der Lehrlingsausbildung gewidmet wurde, ist darauf hinzuweisen, daß wir viel Phantasie und Kreativität brauchen, weil die Facharbeiter der Zukunft nicht unbedingt die Lehrlinge von heute sein werden. Die Facharbeiter auf einem bestimmten Niveau der Zukunft sind die Abgänger der Fachhochschule. Wir müssen damit rechnen, daß Arbeit, die jetzt von Lehrlingen verrichtet wird, durch Verschwinden, sage ich jetzt einmal in aller Kürze, wegfällt. Das heißt: Konzentration nicht nur auf eine Sparte, sondern auf mehrere gleichzeitig, und zwar gerade deshalb, weil wir die Zukunft nicht vorhersagen können im klassischen Sinn. (Beifall bei der ÖVP. – Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.) Ich glaube, daß der Club of Rome einer der letzten war, der das für sich in Anspruch nahm. Weil wir die Zukunft nicht vorhersagen können, müssen wir uns auf sie vorbereiten.


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