Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 63. Sitzung / Seite 40

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Meine Damen und Herren! Wenn das gemacht wird, wenn dem zugestimmt wird, dann würde das bedeuten: Wir haben ein Denkverbot, wir haben ein Redeverbot, wir haben ein Diskussionsverbot, wir haben ein Verhandlungsverbot. – Und das kann nicht im Sinne einer verantwortungsvollen staatspolitischen Tätigkeit dieses Parlaments oder der Bundesregierung sein, meine Damen und Herren! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Wir vom Liberalen Forum wollen daher, daß zuerst die politische Entscheidung gefällt wird, und dann, wenn diese politische Entscheidung gefallen ist, ist es unserer Meinung nach auch demokratiepolitisch legitim und durchaus auch möglich, diese Entscheidung einer Volksabstimmung zu unterziehen.

Meine Damen und Herren! Nun zur Frage der Neutralität, die ja auch Inhalt dieses Volksbegehrens war – es sollte die sicherheitspolitische Option der Neutralität festgeschrieben, einzementiert und als unverrückbar definiert werden –: Ich meine, wir sollten uns wirklich ernsthaft damit auseinandersetzen. Wir finden es daher sehr sinnvoll und sehr gut, daß der Außenpolitische Ausschuß seinen Beratungen im Unterausschuß Experten beigezogen hat, und aus dem Expertenhearing dort ist eindeutig und klar hervorgegangen, daß die Neutralität Österreichs den sicherheitspolitischen Anforderungen der Zukunft nicht mehr gerecht wird. Das, meine Damen und Herren, muß man auch in der politischen Diskussion entsprechend berücksichtigen. Die Neutralität Österreichs ist nicht mehr die Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft. Man darf in die Neutralität auch nicht mehr hineininterpretieren, als tatsächlich mit ihr gemeint war.

Meine Damen und Herren! Was war mit der Neutralität im Jahre 1995 gemeint? – Die Neutralität war als ein sicherheitspolitisches Konzept, als ein Mittel zum Zweck, als ein Mittel, die Unabhängigkeit Österreichs zu erreichen, und nicht als Selbstzweck gedacht. Diese Unabhängigkeit haben wir Gott sei Dank erreicht. Die Neutralität war ein Mittel, die territoriale Integrität Österreichs zu erreichen.

Aber die Neutralität war immer eine militärische Neutralität, weil wir uns verpflichtet haben, keinem Militärbündnis beizutreten. Aber wir waren niemals politisch neutral, wir haben uns immer zu den Grundwerten der demokratischen Gesellschaftsordnung bekannt, wir haben uns immer zur Wertegemeinschaft der westlichen Demokratien bekannt. Das muß man auch einmal eindeutig feststellen und klar sagen. Wenn wir heute im Rahmen der Europäischen Union Mitglied dieser demokratischen Wertegemeinschaft sind, dann ist es auch legitim und richtig, sich ihr auch in sicherheitspolitischen Fragen anzunähern und dieser Option näherzutreten beziehungsweise diese ins Kalkül zu ziehen.

Meine Damen und Herren! Wirtschaftlich waren wir auch nie neutral. Wir haben uns klar zur freien Marktwirtschaft bekannt, wir waren nie Mitglied beispielsweise des COMECON, und daher sollten wir, glaube ich, die Neutralität so sehen, wie sie im Jahre 1955 die Gründerväter beschlossen haben, und zwar als ein sicherheitspolitisches Konzept mit einer klaren militärischen Zielsetzung. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Die Neutralität Österreichs war ein Teil der Nachkriegsordnung, war ein Teil der Sicherheitsarchitektur nach dem Jahre 1955, aber heute ist diese alte Ordnung, diese Sicherheitsarchitektur Europas überwunden. Wir haben heute völlig geänderte sicherheitspolitische Rahmenbedingungen, und diese können und dürfen auch nicht wegdiskutiert werden. Sie sind gegeben. Wir haben seit dem Fall der Berliner Mauer, seit dem Demokratisierungsprozeß in Osteuropa, seit der Auflösung der Sowjetunion, seit der Auflösung des Warschauer Paktes ein geändertes geostrategisches Umfeld, und das hat natürlich auch Auswirkungen in sicherheitspolitischer Hinsicht.

Wir sind – und dieser Umstand wird in dieser ganzen Neutralitätsdebatte auch immer wieder vergessen – seit Anfang des Jahres 1995 Mitglied der Europäischen Union, und die Europäische Union hat eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik mit einer möglichen Weiterentwicklung in Richtung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik, die auch auf eine gemeinsame Verteidigung hinauslaufen soll.


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