Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 63. Sitzung / Seite 64

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Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 9 Minuten. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß ich um 15 Uhr die Debatte zur Behandlung einer Anfragebeantwortung unterbrechen muß.

14.50

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich bin nicht der Pflichtverteidiger des Herrn Kollegen Mock, aber das, was er heute zur FPÖ gesagt hat, hat doch eine gewisse Berechtigung. Herr Kollege Scheibner, wenn Sie sich herstellen und sagen, Sie waren deswegen gegen den EU-Beitritt, weil Österreich schlecht auf den EU-Beitritt vorbereitet war, und gleichzeitig sagen, wir sollten jetzt der NATO beitreten, erhebt sich doch die Frage: Glauben Sie, daß Österreich heute besser für einen NATO-Beitritt vorbereitet ist, als es 1994 für einen EU-Beitritt war? (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der zweite Punkt der Argumentationsgroteske: Herr Kollege Haider hat gemeint, ein NATO-Beitritt brächte mehr positive ökonomische Effekte als ein EU-Beitritt. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Zahlen, die über die Kosten zu diesem Thema auf dem Tisch liegen, geht das weit über die Nettobeiträge Österreichs zur Europäischen Union hinaus. Und ich frage mich schon heute, wie Sie die Kurve in der NATO-Frage irgendwann wieder einmal kratzen werden. In ein, zwei, drei, vier, fünf Jahren werden Sie nämlich wahrscheinlich das genaue Gegenteil von dem behaupten, was Sie heute hier gesagt haben! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Das werden wir uns dann anschauen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stimme der These des Kollegen Spindelegger nicht zu, der gemeint hat, Neutralität sei ein Begriff, den keiner mehr so recht wolle. Ich glaube, angesichts eines Volksbegehrens mit 350 000 Unterzeichnungen, das hier im Parlament liegt, kann man nicht davon sprechen, daß Neutralität niemand mehr so recht will.

Dazu kommt noch, daß es ganz klare verfassungsgesetzliche Grundlagen gibt, und dazu kommt auch noch, daß im Zuge der EU-Diskussion alle gesagt haben, der Beitritt zur Europäischen Union heißt nicht Aufgabe der Neutralität. (Abg. Scheibner: Sie haben das gesagt, nicht alle!) Das hat auch der seinerzeitige Außenminister Dr. Mock gesagt. Kollege Schieder hat ausgeführt, warum es verfassungsrechtlich nicht sinnvoll ist, dem Text des Volksbegehrens zu folgen. Ich würde es aber, sollte sich Österreich irgendwann einmal dazu entschließen, nicht mehr neutral sein zu wollen, sondern und sich in ein Militärbündnis begeben zu wollen – WEU und NATO sind und bleiben klarerweise Militärbündnisse –, demokratisch fair finden, diese Frage einer Volksabstimmung zu unterziehen, denn ich meine, wenn man eine so weitreichende Entscheidung anstrebt, ist der demokratische Konsens in der Bevölkerung genauso erforderlich, wie es beim EU-Beitritt der Fall war. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir Sicherheitspolitik diskutieren und über Sicherheit im großen Rahmen – nämlich in der europäischen Dimension – reden und in dem Zusammenhang über NATO-Alt, NATO-Neu debattiert wird, sollten wir uns vielleicht die Debatte vergegenwärtigen, die aktuell geführt wird.

Die alte NATO hat ja der erste Generalsekretär der NATO, Lord Ismay, einmal sehr treffend und ein wenig süffisant beschrieben. Er hat gemeint, sie dient dazu, die Russen draußen zu halten, die Amerikaner drinnen zu halten und die Deutschen unten zu halten. (Abg. Dr. Khol: Sehr gut!) – Das war der alte Slogan, der der NATO zugrunde gelegt wurde. Es stellt sich die Frage: Ist diese alte NATO heute auch noch vorhanden, oder ist die neue NATO etwas anderes?

Mit großem Interesse vernehmen wir, daß es gerade in den USA – und täuschen wir uns nicht, lesen Sie in der "Financial Times" alle Kommentare nach: die entscheidende Kraft der NATO sind die Vereinigten Staaten von Amerika, ohne sie geht nichts, und nur was sie wollen, geht in dieser NATO – eine höchst interessante Diskussion über die NATO-Osterweiterung gibt, in der unterschiedliche Argumente abgewogen werden. (Abg. Mag. Stadler: Klassenfeind!)


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