Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 63. Sitzung / Seite 65

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Diejenigen, die derzeit in der Administration das Sagen haben, gehen offensichtlich von drei Grunddeterminanten der NATO-Neu aus. Erstens: Die NATO soll als Stabilitätsfaktor der europäischen Sicherung nach innen und nach außen erhalten bleiben. Sie gehen zum zweiten davon aus, daß die NATO ein Beitrag sein soll, die Neuordnung Mittel- und Osteuropas nicht alleine den Deutschen zu überlassen, und zum dritten gehen sie davon aus, daß bei Bedarf auch zur Neuordnung von Konflikten an der europäischen Peripherie die Mittel der Pax Americana zum Einsatz kommen – drei durchaus diskussionswürdige Thesen.

Dem steht gegenüber, daß zum Beispiel der Doyen der amerikanischen Sicherheitspolitik, George Kennan, in einem beachteten Beitrag in der "New York Times", der auf Deutsch auch in der "Zeit" zur Verfügung steht, gemeint hat, die Ausweitung der NATO sei der verhängnisvollste Fehler der amerikanischen Politik in der gesamten Ära nach dem kalten Krieg. Solch eine Entscheidung, so stehe zu erwarten, werde die nationalistischen antiwestlichen und militaristischen Tendenzen in der öffentlichen Meinung Rußlands anheizen und sich in einer nachteiligen Entwicklung der russischen Demokratie niederschlagen, mit all den negativen Konsequenzen für die Ost-West-Beziehungen. – George F. Kennan, der Doyen der amerikanischen Sicherheitspolitik.

Und die These des Herrn Kollegen Haider, die er heute vertreten hat, nämlich daß es besser wäre, eine NATO-Osterweiterung durchzuführen als eine EU-Osterweiterung, ist übrigens auch in der "New York Times" gerade diese Woche von Herrn Professor Mandelbaum von der John Hopkins University aufgegriffen worden, der kritisch zur NATO gemeint hat, die Westeuropäer wollten den Knochen der NATO-Erweiterung nur darum hinwerfen, um osteuropäische Länder von der Europäischen Union fernzuhalten. Unter dem Titel "NATO or Tomato" heißt es da, die Westeuropäer wollen die NATO-Osterweiterung nur deswegen, weil sie in Zukunft keine Tomaten aus Osteuropa kaufen wollen. Und genau diese Diskussionen finden heute in den USA statt.

Wenn Herr Kollege Mock gemeint hat, es ist das souveräne Recht jedes einzelnen Staates, seine Sicherheitspolitik autonom festzulegen, dann muß man sagen, daß eine etwaige NATO-Osterweiterung in Richtung Rußland natürlich auch Konsequenzen hätte. Es wäre genauso das Recht der russischen Duma, zum Beispiel die neuen Beschränkungen im Bereich der Nuklearrüstung nicht zu ratifizieren, ebenso wie es dort andere legitime Rechte gibt. Wenn man Sicherheit in einem größeren Maßstab bedenkt, stellt sich dann aber die Frage: Führen diese Entscheidungen für uns und für Gesamteuropa zu einer stabileren Situation – ja oder nein? Ich meine, daß eine nicht akkordierte Vorgangsweise in dem Zusammenhang unsere Sicherheit eher reduziert.

Das, was Sie auf der Ebene der Ideologieproduktion betreiben, indem Sie sagen, daß Österreich infolge einer Nichtmitgliedschaft bei der NATO isoliert wäre, ist doch absolut lächerlich! Ein Mitglied der Vereinten Nationen, der Europäischen Union, der OECD, aller internationaler Organisationen bis auf die NATO und die WEU kann per Definition nicht international isoliert sein. (Abg. Scheibner: Sicherheitspolitisch!) Ihre Vorschläge sind nicht von dem Bedürfnis nach Sicherheit in Österreich getragen, sondern vom Bedürfnis der Ideologieproduktion, des parteipolitischen Populismus, der nicht im Interesse des Friedens und der Sicherheit dieses Landes ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jung: Eine Rede altmarxistischer Diktion!)

14.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich unterbreche jetzt die Debatte zum Tagesordnungspunkt 1 und werde um 15 Uhr die Anfragebeantwortung aufrufen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 14.59  Uhr unterbrochen und um 15.01 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich nehme nun die unterbrochene Sitzung wieder auf.


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