Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 64. Sitzung / Seite 44

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dramatische Benachteiligung nicht nur im Bildungssystem generell, sondern auch auf dem Arbeitsmarkt insgesamt.

Nun noch zwei Bemerkungen zur Situation der Begabtenförderung.

Es ist falsch, zu sagen, die SPÖ halte nichts von Begabtenförderung. Wir stehen sehr wohl zur Begabtenförderung, sind jedoch der Auffassung, Begabtenförderung kann und soll vorwiegend im integrativen, also im gemeinsamen Unterricht erfolgen. Ich bin in der Tat der Auffassung – ich wiederhole hier das, was ich im Unterrichtsausschuß gesagt habe –, daß die angebotenen Maßnahmen und die breite Palette der Begabungsförderung an unseren Schulen in der gegenwärtigen Situation ausreicht. Natürlich ist es möglich, das weiterzuentwickeln, aber wir werden auch in Zukunft der integrativen Begabtenförderung immer wieder den Vorrang geben.

Wir stehen auch zur Leistungsorientierung, Kollege Schweitzer, nur ist unser Zugang zur Leistungsorientierung ein anderer: Wir legen sehr viel Wert auf Motivation, sehr viel Wert auf positive Einstellung zum Lernen, die sicherzustellen ist. Wir wollen die jungen Menschen zum selbstverantwortlichen Lernen hinführen und ihnen dazu Hilfestellungen anbieten.

Es ist in der Tat so, daß wir meinen, daß in Zeiten wie diesen wichtigere Ansatzpunkte beziehungsweise wichtigere Schwerpunktsetzungen notwendig sind. Wie erwähnt sind dies: die Möglichkeit des Nachholens eines Pflichtschulabschlusses, Maßnahmen zur Reduzierung der im internationalen Vergleich enorm hohen Repetentenzahl – 50 000 Negativbeurteilungen in jedem Schuljahr – und Maßnahmen zur Senkung der hohen Kosten für Nachhilfeunterricht.

Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung gesagt: Die Jugend hat ein Recht auf Ausbildung, die Jugend hat ein Recht auf Fort- und Weiterbildung. Diese Voraussetzungen sind sicherzustellen, damit wir den Herausforderungen der Zukunft entsprechen können. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

10.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger.

10.58

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Während Abgeordneter Schweitzer vorhin eine sehr ideologische Debatte über die Begabtenförderung angezogen hat und einige eingefrorene Trompetentöne von sich gegeben hat, möchte ich, so wie auch meine Vorredner, mit dem beginnen, was zur Verhandlung steht, mit dem Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, hinsichtlich dessen wir Grüne der Überzeugung sind, daß es nicht gerade ein idealer Entwurf ist. Aber immerhin beendet es eine Situation, die unerträglich war, da der Schulunterricht in diesem Bereich nur über Erlässe des Ministeriums geregelt war. Es wird sozusagen ein über Jahrzehnte bestehender illegaler Zustand des Schulunterrichts für Berufstätige beendet.

Wir haben deswegen ein Problem mit diesem Schulunterrichtsgesetz, weil es uns – und das haben wir auch im Ausschuß sehr eindringlich gesagt – zuwenig weit geht. Es ist von Widersprüchen geprägt. Dieses Schulunterrichtsgesetz geht von einer Schulorganisation in starren Klassenverbänden aus, wobei wir wissen, daß die Schulpraxis Gott sei Dank teilweise schon eine andere ist, und gleichzeitig enthält es auch Elemente, zum Beispiel das Aufsteigen mit mehreren Nicht genügend, die mit dem starren Klassenverbandssystem in Konflikt kommen.

Ich halte es an und für sich für eine positive Sache, daß im Bereich von – wie es im Ausschuß geheißen hat – jungen Erwachsenen respektiert wird, daß sie beim Aufsteigen mit mehreren Nicht genügend selbst die Entscheidung treffen können, wie sie mit diesen Nicht genügend umgehen. Es ist eine absolut positive Sache – es war auch positiv, wie im Ausschuß darüber diskutiert wurde –, daß man junge Erwachsene, oder wie auch immer man diese Gruppe bezeichnen mag, ernst nimmt in ihrer Entscheidungsfähigkeit, in ihrer Fähigkeit, selbst zu bestimmen, wie sie mit der Tatsache, daß sie aufgrund einer ungenügenden Leistung in einigen Bereichen Defizite haben, umgehen wollen.


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