Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 64. Sitzung / Seite 60

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legt. Ich möchte nur einen einzigen Punkt noch einmal ansprechen, nämlich die Möglichkeit des Aufstiegs mit drei "Nichtgenügend".

Ich kann mich an eine Diskussion im Ausschuß erinnern – auch Kollegen von anderen Fraktionen haben den Aufstieg mit drei "Nichtgenügend" verteidigt –, in der gesagt wurde: Berufstätige Schüler oder Studierende, wie es in der Gesetzesvorlage steht, befinden sich in einer besonderen Lebenssituation. Und es gibt, wie Sie richtig gesagt haben, auch Frauen, die Familienarbeiten, Familienpflege zu leisten haben. Es gibt auch Berufstätige, die im Außendienst tätig sind und so vielleicht noch nicht die Möglichkeit haben, gleich drei "Nichtgenügend" im Zeugnis auszubessern.

Ich habe gesagt: Drei "Nichtgenügend" sind meiner Ansicht nach zu viel, denn ich meine, es bedarf auch eines gewissen Schutzes der Schüler und Studierenden – und man sollte ihnen nicht etwas vorgaukeln, was letztendlich nicht zu schaffen ist. Aber das ist eigentlich nicht mein spezielles Thema. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, daß gerade Frau Bundesministerin Gehrer in bezug auf diese besondere Situation berufstätiger Schüler Aktionen setzt, die deren Fortkommen sogar noch erschweren.

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Unterzeichnung des Vertrages betreffend Rechtschreibreform, die ja heftig umstritten ist, und zwar nicht nur bei Autoren und Schriftstellern, sondern auch bei zahlreichen Wissenschaftlern und Medien. Speziell berufstätige Schüler, die den zweiten Bildungsweg eingeschlagen haben, haben durch diese Rechtschreibreform noch zusätzliche Hindernisse zu überwinden. Das ist wohl unbestritten.

Was bei dieser Rechtschreibreform überhaupt nicht berücksichtigt wurde, ist: Was kostet diese? Durch das Strukturanpassungsgesetz wurde vergangenes Jahr den Eltern ein 10prozentiger Selbstbehalt bei Schulbüchern sozusagen aufs Auge gedrückt. Es wurde aber dann die Möglichkeit geschaffen – und zwar im Wege einer Verordnung –, durch vorhandene Schulbücher diesen 10prozentigen Selbstbehalt zu reduzieren. Das ist aber jetzt ausgesetzt, und man spricht wohlweislich gar nicht mehr darüber. Eines aber weiß ich, Frau Bundesminister: Die Druckmaschinen für die neuen Schulbücher laufen schon, und die Verlage freuen sich. Die Buchverlage hätten sonst Umsatzeinbußen gehabt, was aber jetzt, durch die Hintertür und mit der neuen Rechtschreibreform, nicht der Fall ist.

Umsatzeinbußen von 7 bis 10 Prozent waren für die Verlage vorprogrammiert. Dem wird aber nicht so sein, weil man alle Wörterbücher, alle Sachbücher, alle Schreibbücher, alle Deutsch-, alle Physikbücher und so weiter jetzt neu aufzulegen beginnt, um der Rechtschreibreform Genüge zu tun. – Das, Frau Bundesminister, stellt eine neuerliche Belastung der Bürger dar.

Es war Ihnen offensichtlich ohnehin nicht ganz wohl bei dieser Unterzeichnung, dabei war im Juli vorigen Jahres noch herrlicher Sonnenschein. Sie sprachen aber laut "Kurier" von einem "wichtigen Schritt in die europäische Partnerschaft". In der "Presse" wurde bei Ihnen "Erleichterung" festgestellt. Im "Standard" gab es Protestleserbriefe, aber es hieß dort: Proteste prallen an Gehrer ab. Und Sie, Frau Bundesministerin, meinten, Sie könnten sich dabei ein Zurück nicht mehr vorstellen.

Wie Sie dann die Kurve gekratzt haben, das müssen Sie mir einmal erklären. Laut "Kurier" vom 20. Februar 1997, als in Deutschland diesbezüglich größte Bedenken laut wurden, haben Sie gesagt, diese Rechtschreibreform werde wahrscheinlich bei uns nicht eingeführt, denn Österreich werde da sicherlich keinen Alleingang machen. Außerdem sei diese Reform nicht Ihr "Wunschkind" gewesen.

Frau Bundesminister! Ich hoffe, daß Sie bei anderen Gesetzen, die Sie heute in der Fragestunde angekündigt haben, und zwar, was die Begabtenförderung, was das Überspringen von Schulklassen anlangt, Extraabschlüsse in verschiedenen Wissensgebieten in Richtung Studium an einer Universität und so weiter, nicht auch eine solche Kehrtwendung vollziehen, wie Sie das beim Thema Rechtschreibreform getan haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Rosemarie Bauer: Böhacker hat doch Sie gemeint mit dieser Rede!)

12.15


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