Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 64. Sitzung / Seite 70

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Dieser Bundesvoranschlag war durch einen prognostizierten Abgang von 102,3 Milliarden Schilling gekennzeichnet. Im Endeffekt sind 117,9 Milliarden Schilling herausgekommen. Das ist eine Überschreitung von 15,6 Milliarden Schilling. Diese liegt in einer Größenordnung von 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Herr Finanzminister! Wir haben bereits gestern in der Aktuellen Stunde Gelegenheit gehabt, auf die kalte Progression einzugehen. Wenn Sie sich den Bundesrechnungsabschluß ansehen, dann erkennen Sie eine Position, die durch einen enormen Anstieg im Bereich der Lohnsteuer gekennzeichnet ist.

Die Lohnsteuereinnahmen betrugen im Jahr 1994 134,8 Milliarden Schilling und lagen im Jahr 1995 bei 150,2 Milliarden Schilling; das ist immerhin eine Steigerung um 15,4 Milliarden Schilling oder um über 11 Prozent. Dies, obwohl es nur Lohnzuwächse in der Größenordnung von 2 Prozent gegeben hat! Das heißt, Sie schulden alleine aus dem Jahr 1995 den Steuerzahlern 12 Milliarden Schilling aus der kalten Progression.

Das kann man anhand dieser Beispiele wirklich eindeutig feststellen. Sie können da auch nicht mit der Argumentation kommen: Es hat ja ein Beschäftigtenzuwachs stattgefunden. Im Jahr 1995 hat die Beschäftigung nicht zugenommen, sondern aufgrund der Belastungspolitik sogar abgenommen, nämlich um 0,1 Prozent. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieses Budget ist unter der Voraussetzung einer nominellen Wachstumsrate von 5,8 Prozent erstellt worden. Eingetroffen sind nur 3,8 Prozent. Und bei jeder Debatte zu einem Bundesrechnungsabschluß hört man von seiten der Kolleginnen und Kollegen aus den Regierungsfraktionen: Schuld ist die Konjunktur, schuld ist der Konjunkturabschwung. Herr Finanzminister! Wir wollen es uns doch nicht so leichtmachen, indem wir alles auf die Konjunktur schieben, sondern es wäre doch wirklich einmal interessant, zu untersuchen, wie sich das Wachstum verhalten hätte, wenn wir eine andere Budgetpolitik gefahren wären, wenn wir eine andere Steuerpolitik gefahren wären und wenn wir eine andere Zinspolitik gefahren wären.

Herr Finanzminister! Man braucht nur die Situation in den Staaten USA und Österreich zu vergleichen. Beide haben den Weg einer Budgetkonsolidierung beschritten, aber es gab unterschiedliche Ansätze und auch unterschiedliche Ergebnisse.

Sie – nicht Sie als Person, Herr Finanzminister, sondern Ihre Vorgänger – sind eine Budgetpolitik gefahren, die zu einer überproportionalen Belastung einer Einkommensschicht geführt hat, die ein überhohes Konsumbewußtsein hat, die eine sehr große Konsumnachfrage verzeichnet. Durch das Belastungspaket, durch die Steuerpolitik wurde gerade diese Schicht mit hohem Konsumbedarf sehr stark belastet. Man ist aber auch aufgrund der Tatsache, daß wir in Österreich eine sehr hohe reale Zinspolitik gehabt haben beziehungsweise haben, in die Sparpolitik ausgewichen. Das hat zu einer Dämpfung des Konsums geführt und natürlich auch dazu, daß eben das Wirtschaftswachstum hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist.

Was haben die USA gemacht? – Die USA haben auch einen Budgetkonsolidierungskurs gefahren, haben aber nicht die Bevölkerungsschichten mit hoher Konsumnachfrage belastet. Die USA haben eine Budget- und Steuerpolitik gefahren, mit der man durch eine Änderung des Steuertarifs gerade diese breite Einkommensschicht entlastet hat. Diese Bevölkerungsschicht hat eine hohe Konsumnachfrage entwickelt, und aufgrund der niedrigen Zinsen in den Vereinigten Staaten ist auch die Sparquote hinuntergegangen, die Konsumnachfrage ist gestiegen, und das Wachstum ist gestiegen. Das hat nämlich andere Auswirkungen gehabt als bei uns in Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die USA haben ein hohes Wirtschaftswachstum. Wir in Österreich haben dieses hohe Wirtschaftswachstum nicht. Es ist um 2 Prozent hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Es geht auch um den Zeitpunkt, da Sie beziehungsweise die Bundesregierung eingegriffen haben. Es gibt auch beim Zeitpunkt gravierende Unterschiede zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Österreich. Herr Finanzminister! Der gravierende Unterschied ist, daß in Amerika eine Budgetkonsolidierung herbeigeführt worden ist, als es bereits ein stabiles Wachstum gegeben hat, und zwar ein stabiles Wachstum von Investitionen und Konsumgüternachfrage, während wir


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