Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 64. Sitzung / Seite 71

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

in Österreich mit Budgetkonsolidierungsmaßnahmen eingegriffen haben in erster Linie im Hinblick auf die Maastricht-Kriterien in der Rezessionsphase 1993, als die Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern bereits rückläufig war.

Es wurde der falsche Zeitpunkt gewählt, in Amerika hingegen war der Eingriff ein vernünftiger. Er erfolgte in einer Zeit der Stabilität, in einer Zeit des Wachstums, und zwar für Konsum- und Investitionsgüter. Bei uns in Österreich wurden aufgrund der Stabilitätskriterien des Vertrages zu Maastricht Maßnahmen gesetzt, die zu einem weiteren Rückgang des Wachstums geführt haben. Die in Amerika betriebene Strategie, nämlich Entlastung der Bevölkerungsschicht mit hoher Konsumnachfrage, hat zu einem hohen Wachstum geführt. Wir in Österreich haben leider genau den gegenteiligen Effekt erzielt.

In Amerika hat sich die Arbeitslosenrate halbiert, hat sich die Staatsschuldenquote stark reduziert, und das Budgetdefizit ist aufgrund der Maßnahmen von 5 Prozent im Jahr 1991 auf 1,5 Prozent im Jahr 1995 zurückgegangen.

Herr Finanzminister! Über diese Varianten soll man reden. Wollen Sie bei dem Kurs bleiben, den Ihre Vorgänger gefahren haben? Wollen Sie weiterhin die Bevölkerung belasten, Arbeitslose produzieren, Budgetdefizite produzieren, Mißtrauen der österreichischen Bevölkerung ernten? Wollen Sie, daß keine Energie mehr in der Bevölkerung da ist, weil eben Leistung nicht belohnt wird, sondern alles nur besteuert wird, oder wollen Sie endlich einmal den Versuch starten und auch mit der Opposition darüber diskutieren beziehungsweise einmal in engere Beratungen eintreten, wie man den Karren wirklich herausziehen kann?

Das ist nämlich derzeit das Problem, und nur mit Belastungen wird es nicht gehen. Deswegen ist unsere Linie die: Es muß versucht werden, eine Beschleunigung des mittelfristigen Wachstums herbeizuführen. Viele Anträge, die seitens der freiheitlichen Fraktion in der letzten Zeit eingebracht wurden, wären dazu geeignet. Eine Beschleunigung des mittelfristigen Wachstums kann eben nur so forciert werden, wie das in den USA gemacht worden ist, nämlich durch eine Entlastung des Einkommensbereiches sowohl der Selbständigen als auch der unselbständig Beschäftigten, damit sowohl die Konsumnachfrage als auch die Investitionsnachfrage angekurbelt werden.

Das läuft auf folgendes hinaus, Herr Finanzminister: Bemühen Sie sich, rasch eine Steuerreform durchzuziehen und die kalte Progression endlich zu beseitigen! Ich habe es vorher bereits gesagt, es waren allein im Jahr 1995 12 Milliarden Schilling, die Sie – nicht Sie als Person, Herr Finanzminister, sondern das Finanzministerium mit seinen Entscheidungen – der österreichischen Bevölkerung entzogen haben. Nehmen Sie die Vorschläge der Freiheitlichen hinsichtlich einer Steuerreform im Bereich der Lohnsteuer ernst, und nehmen Sie die Vorschläge der Freiheitlichen auch für den Bereich der Selbständigen ernst, indem Sie eine Entlastung, das heißt eine Steuerfreistellung nichtentnommener Gewinne vornehmen! Dann werden Sie beide Anreize schaffen.

Nur im Wege eines zusätzlichen Wachstums haben Sie die Möglichkeit, die Zahlen gerade im Bereich der Arbeitslosen beziehungsweise im Bereich des Budgets in Ordnung zu bringen. Wenn Sie jedoch die Politik, die Ihre Vorgänger gemacht haben, wenn Sie die Entscheidungen, die diese getroffen haben, nicht revidieren, wird Ihnen eines sicher sein: Wir werden nächstes Jahr im Jänner wahrscheinlich wieder hier stehen, wir werden eine Sondersitzung abhandeln, und wir werden nicht über Arbeitslosenzahlen in der Größenordnung von 300 000 reden, sondern unter Umständen über solche von 350 000. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Wir setzen in Sie, Herr Finanzminister, auch ein gewisses Vertrauen, das Sie bitte nicht enttäuschen sollten, und zwar sollten Sie uns insofern nicht enttäuschen, als Sie diese Diskussion aufnehmen, Ideen der Oppositionsparteien besprechen und eine rasche Umsetzung zu einem beschleunigten Wirtschaftswachstum in die Wege leiten. Dann, glaube ich, können wir uns viele Sorgen in der nächsten Zukunft ersparen. Aber wenn Sie bei diesem restriktiven Kurs, der nur Belastungen in der mittleren Einkommensschicht beinhal


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite