Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 64. Sitzung / Seite 90

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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Mentil vor. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

14.31

Abgeordneter Hermann Mentil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Herr Rechnungshofpräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bundesrechnungsabschluß reflektiert den Budgetvollzug beziehungsweise die damit verfolgte Politik und reflektiert teilweise die verfehlte Strukturpolitik. Warum verfehlt? – Ich versuche, das anhand eines Beispieles aufzuzeigen.

Wir wissen, daß wir eine längst überfällige Verwaltungsreform nicht angehen, nicht vorantreiben. Laut letztem OECD-Bericht sind 22 Prozent unserer Beschäftigten im Verwaltungsbereich tätig. Vergleicht man diese Zahlen von 1974 bis 1994 mit jenen der anderen EU-Staaten, so sieht man, daß sich unser Verwaltungsaufwand verdoppelt hat.

Wir alle wissen aber – zumindest jene Herrschaften, die sich mit Betriebswirtschaft beschäftigen, wissen das –, daß ein zu hoher Verwaltungsaufwand jene Mittel bindet, die man sonst für Investitionen verwenden könnte, die man in Arbeitsplätze investieren könnte, beziehungsweise könnte man mit diesen Mitteln Arbeitsplätze schaffen. Die Tatsache, daß diese Verwaltungsreform überfällig ist, will diese Regierung einfach nicht zur Kenntnis nehmen. Und daher muß man von einer völlig falschen Strukturbereinigung beziehungsweise Strukturpolitik reden.

Es geht aber noch weiter: Daß die Schwerpunkte falsch gesetzt wurden, erkennen Sie daran, daß Sie im Jahr 1995 im Mehrwertsteuerbereich einen Mindererlös in Höhe von 9,1 Milliarden Schilling eingefahren haben. 9,1 Milliarden Schilling Mindererlös im Mehrwertsteuerbereich zeigen, daß der Konsum, sprich: die Wirtschaft, nicht entsprechend angekurbelt worden ist beziehungsweise nicht funktioniert hat.

Die Abgabenquote sank von 42,6 Prozent auf 41,2 Prozent. Das sind gigantische Rückgänge! Das ist wieder darauf zurückzuführen, daß die Investitionsbereitschaft, die Investitionswilligkeit nicht gegeben ist. 1995 haben Sie ein Gesamtdefizit von 145 Milliarden Schilling eingefahren und eine Gesamtverschuldung in Höhe von 1 632,4 Milliarden – das sind 6,7 Prozent des BIP – verursacht. Diese Gesamtverschuldung spricht meines Erachtens Bände und bringt auch enorme Gefahren mit sich.

Ich glaube auch nicht beziehungsweise sehe nicht den Ansatz, daß die Weichenstellung für 1996/97 diese Situation gravierend ändern wird beziehungsweise daß Sie mit Ihrem Sparpaket diese Budgetmisere in den Griff bekommen werden. Warum? – Sie haben mit dem Sparpaket einen enormen Kaufkraftverlust verursacht. Dieser Kaufkraftverlust wiederum führt zu Steuermindereinnahmen, zu weniger Investitionen und zu weniger Arbeitsplätzen. Das heißt, das dreht sich im Kreis, die Katze beißt sich in den Schwanz. Daher wird das Hochjubeln Ihres Budget"erfolges" 1996 – "Erfolg" unter Anführungszeichen – ein Pyrrhussieg werden. Die von Ihnen vorgelegten Zahlen mögen zwar kurzfristig einen Erfolg dokumentieren, aber auf Sicht gesehen, also über Jahre hinaus, werden Sie so unser Budget nicht konsolidieren beziehungsweise die Gesamtsituation nicht bereinigen können. Und das ist das Problem! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Ich bin mit meinen Behauptungen nicht allein, denn auch die Wirtschaftsforschung betreibenden Institute warnen. Ich habe diesbezüglich von Ihnen gewisse Zweifel gehört. Sie haben zwar teilweise recht: Die Institute machen nur Momentaufnahmen und legen Zahlen vor. Die Weichen muß die Regierung stellen, müssen die Verantwortlichen stellen. Aber diese Institute warnen und zeigen auf, daß die jetzige Entwicklung falsch ist beziehungsweise daß wir aus der Vergangenheit, aus der Entwicklung 1995 nicht die entsprechenden Konsequenzen gezogen haben. Das Wifo sagt beispielsweise: Defizit nur schwer zu halten! Steuerreform wird zum Problem! – Ich sehe das auch so. Diese Steuerreform in der jetzigen Form kann nur zum Problem werden, weil sie die Kaufkraft weiter mindert und die Investitionsfreudigkeit hemmt.


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