Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 64. Sitzung / Seite 104

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Das ist eine Leistung aus der Sozialhilfe. Das heißt, die Sozialhilfe, die eigentlich das Risiko abfedern soll, das von Sozialversicherungen und Arbeitslosenversicherung nicht mehr getragen werden kann, sichert dieses Risiko nicht ab. Das ist Armut, und zwar Armut pur!

Die Frau hat mir am Telefon erzählt: Ich bin seit zwei Monaten die Miete schuldig. Ich weiß nicht, wie lange ich in der Wohnung noch wohnen kann. Ich muß das in Kauf nehmen. Ich kann mich nicht darum kümmern, jetzt auch noch daran zu denken, was mit meiner Wohnung passiert. – Die Konsequenz war, daß die Gemeinde Wien auch die Mietzinsbeihilfe eingestellt hat, die diese Frau zur Einkommensaufbesserung zu verwenden versuchte.

Ein klarer Fall! Aber in der Konsequenz, meine Damen und Herren, ist das Armut. Damit sind wir beim eigentlichen Problem. Sie haben durch Ihre Bestimmungen in diesem Gesetz, in diesem Sparpaket, in den letzten Jahren eminent dazu beigetragen, daß sich die Armutsgefährdung in Österreich erhöht hat!

Wenn Sie daher in den Fragen 20 bis 23 behaupten, die ausgewogene Budgetkonsolidierung habe alle Gruppen erfaßt und gleichmäßig bedacht, dann übersehen Sie, meine Damen und Herren, Herr Staatssekretär, daß die Gruppen, die schon vorher armutsgefährdet waren, durch die "ausgewogene" Kürzung bei den Einkommen in einem ungleich größeren Ausmaß von der Armut erfaßt beziehungsweise gefährdet worden sind.

Das heißt, gerade Ihre Argumentation von gleicher Gefährdung für alle verkennt völlig, daß da von vornherein eine ungleiche Verteilung gegeben war und jene Personen, die vorher schon arm waren, durch Ihre Maßnahmen noch ärmer geworden sind.

Ich möchte anerkennen, daß der Herr Bundeskanzler in seiner Erklärung vor diesem Plenum zum ersten Mal – das war ja auch Gegenstand unserer Armutsdebatte – das Wort "Armut" in den Mund genommen hat. Es ist ja eigentlich eine Tragik, daß wir soweit sind, daß in diesem Land Jahrzehnte hindurch die in diesem Land versteckte Armut nicht thematisiert wurde. Ich anerkenne, daß das gesagt wurde, aber, meine Damen und Herren von der Bundesregierung und von den Regierungsparteien, Sie müssen auch die Konsequenzen daraus ziehen, die notwendigen Maßnahmen setzen. Die Armut als Problem anzuerkennen ist ein Teil des Problems, den anderen Teil des Problems stellen Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, mit Ihrer Politik der letzten Jahre dar, die Sie zu verantworten haben und die Sie im Interesse der Armutsbekämpfung ändern müssen. (Beifall bei den Grünen.)

15.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf nun den Herrn Staatssekretär um eine Stellungnahme zum Thema ersuchen. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte sehr.

15.41

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst ist festzuhalten, daß wir de facto in einem äußerst wohlhabenden Land leben, in dem dennoch die Armut für einige Bevölkerungsgruppen eine realistische Bedrohung beziehungsweise Realität geworden ist. Dazu zähle ich insbesondere kinderreiche Haushalte, alleinerziehende Frauen und Haushalte, in denen die Haupteinkommensquelle durch Arbeitslosigkeit weggefallen ist.

Armut aber ist ein sehr komplexes Phänomen und betrifft nicht nur die genannten, sondern alle Lebensbereiche. Die Bekämpfung der Armut verlangt daher nicht nur Maßnahmen im Bereich des Sozialen und der Beschäftigungspolitik, sondern auch Maßnahmen in der Bildungs-, Familien-, Wohnbau- und Fiskalpolitik. Konkret muß die Armutsbekämpfung auch weiterhin bei einer aktiven Beschäftigungspolitik ansetzen. Zentrale Aufgabe ist es daher, die Chancen auf dem Arbeitsmarkt insgesamt und jene der benachteiligten Personengruppen insbesondere zu erhöhen. (Abg. Öllinger: Das merkt man aber nicht!) Das ist das primäre Ziel dieser Bundesregierung. Es wurde in den verschiedensten Stellungnahmen anläßlich der Regierungserklärung, aber auch bei der Sondersitzung darauf hingewiesen.


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