Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 64. Sitzung / Seite 108

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Ich glaube, die Regierung thematisiert nicht Armut im Sinne von Mißbrauchsverhinderung. Ich meine, es ist sehr wohl sinnvoll, sich die Frage zu stellen: Können wir mit der Gießkanne drüberfahren, oder sollten wir uns nicht doch bemühen, jenen zu helfen, die wirklich Hilfe benötigen?

Sie beklagen auch die Ideologie der Leistungsgesellschaft. Ich glaube, ohne Leistung wird es wohl nicht gehen, sonst haben alle nichts, sondern ich meine, Leistungsgesellschaft muß immer mit Augenmaß gekoppelt sein; mit Augenmaß für Arme, Schwache, Kranke.

Ich gebe Ihnen vollkommen recht, daß ein Mehr immer wünschenswert ist, aber immer nur staatliche Lösungen allein zu fordern, wird zuwenig sein. Wir brauchen auch beispielgebende Initiativen, wie sie zum Beispiel die Caritas setzt.

Für eine reine Ellbogengesellschaft, Herr Öllinger, würde ich mich nicht hergeben. Sie paßt nicht zu Österreich und ist auch nicht das Ziel von ÖVP und SPÖ. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

15.57

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Der Herr Staatssekretär hat gesagt, daß Österreich trotz allem ein wohlhabendes Land sei, er hat aber auch zurückgenommen, was der ehemalige Bundeskanzler Vranitzky gesagt hat, nämlich daß das Risiko der Armutsgefährdung gesunken ist und daß die Armut auch durch Maßnahmen im bildungspolitischen, fiskalpolitischen und familienpolitischen Bereich bekämpft werden muß. Er hat gemeint, daß es das primäre Ziel dieser Bundesregierung sei, die Armut zu bekämpfen und die bestehenden Arbeitsplätze zu sichern.

Herr Staatssekretär! Ihr Wort in Gottes Ohr, aber die Partei, der Sie angehören, hat in der großen Koalition von SPÖ und ÖVP im Jahr 1994 ein Sparpaket beschlossen, das 1995 das erste Mal gegriffen und dazu beigetragen hat, daß die Österreicher ein geringeres Einkommen haben. Es ist das Arbeitslosengeld geringer geworden. Wir haben eine steigende Arbeitslosenrate zu vermerken. Wir hatten laut Sozialbericht im Jahr 1995 bei der Notstandshilfe – und das gibt mir besonders zu denken – ein durchschnittliches Einkommen von 7 100 S; jenes der Frauen war überhaupt noch geringer, es lag bei 6 200 S pro Monat. 30 Prozent dieser Frauen bekamen gar nur 4 900 S. Und das gibt mir schon zu denken, denn diese Frauen können davon nicht leben.

Frau Kollegin Reitsamer hat gesagt, daß sehr viele Frauen im Putzdienst tätig sind. Aber was sollen diese Frauen sonst machen? Sie gehen eben im Pfusch putzen, damit sie sich etwas dazuverdienen, anders kämen sie nicht über die Runden.

Diese Bundesregierung hat nach dem ersten Sparpaket noch ein zweites Sparpaket beschlossen, das weitere Belastungen mit sich gebracht hat, und jetzt wurde auch die flexible Arbeitszeit eingeführt. Wir haben in Österreich zwar einen steigenden Beschäftigungsstand, wir haben eine steigende Arbeitslosigkeit, aber wir haben ein geringeres Einkommen, und mit der Einführung der flexiblen Arbeitszeit haben Sie einen Stein ins Rollen gebracht, weil in Österreich für die unselbständig Beschäftigten dafür kein Ausgleich gewährt wird. Wir haben die kalte Progression zu verzeichnen.

Die Einführung der flexiblen Arbeitszeit, die laut dem Präsidenten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes keine Einbahnstraße ist, weil alles im KV geregelt ist und weil sich die tägliche und die wöchentliche Arbeitszeit nicht ändert, hat aber Einkommenseinbußen zur Folge. Eine eklatante Einkommenseinbuße müssen jene Bezieher, die zwischen 15 000 S und 25 000 S im Monat verdienen, hinnehmen, und zwar zwischen 4 000 S und 6 000 S pro Monat, je nachdem, wieviel jemand mit Überstunden verdient hat.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ist das jetzt eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich, oder ist das eine Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich? – Auf jeden Fall bewirkt das


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