Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 64. Sitzung / Seite 111

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Grundsicherung bedürfen. Daher fordere ich Sie auf, meine Damen und Herren des Hohen Hauses: Treten Sie endlich mit uns, mit dem Liberalen Forum, in eine ernsthafte Diskussion zu diesem Thema ein! (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist Frau Abgeordnete Kammerlander. – Bitte sehr.

16.09

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Kolleginnen und Kollegen! – Herr Staatssekretär Wittmann! Eines begreife ich nicht ganz: Man kann Ihnen natürlich nicht vorwerfen, daß Sie eine Antwort vertreten müssen, mit der Sie mehr oder weniger nichts zu tun haben. Das ist sozusagen Pech für Sie und ein Problem für uns, weil wir über die Dinge, die wir vor Weihnachten angeschnitten haben, nicht weiterdiskutieren können. Aber Sie müssen sich schon gefallen lassen, daß Ihnen gesagt wird: Wenn die Anfragebeantwortung schon so schwach ist – mein Kollege ist darauf eingegangen, wir können dann noch einmal ein paar Punkte herausnehmen –, dann hätte wenigstens Ihre Antwort einen Qualitätssprung gegenüber der schriftlichen Darstellung dieser Beantwortung darstellen können.

Wenn Sie nämlich auf der einen Seite darauf hinweisen, daß in der Anfragebeantwortung – und ich nehme an, Sie haben sie gelesen – immer wieder darauf verwiesen wird, daß die Armut ein sehr vielschichtiges Problem ist, ein multidimensionales Problem ist, das sich nicht so leicht beantworten und schon gar nicht in Daten darstellen läßt, wie wir das wollten, Sie aber dann auf der anderen Seite nur von Beschäftigungspolitik und von der Frage der Arbeitslosigkeit reden, dann reduzieren Sie, Herr Staatssekretär, das Problem wieder zu einem eindimensionalen.

Sie scheinen vor allem eines übersehen zu haben oder in Unkenntnis dessen zu sein: daß es schon längst nicht mehr so ist, daß die Wirtschaftsinitiativen, die Sie hier aufgezählt haben, in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Beschäftigungsimpulsen stehen.

Im Gegenteil: Wir wissen längst, daß zwar viele Wirtschaftsinitiativen positive Auswirkungen auf die Indikatoren, was das Wirtschaftswachstum betrifft, haben können, aber nicht auf die Arbeit und nicht auf die Beschäftigung. Da gibt es ein deutliches Auseinanderentwickeln. Sie reduzieren die Frage der Armut wieder auf die Beschäftigung und auf die Arbeitslosigkeit, und Sie delegieren gleichzeitig in Ihrer Stellungnahme die Frage, wie damit umgegangen wird, in den Bereich der privaten Organisationen. Sie reden sozusagen einen Zustand der privaten Klostersuppenpolitik herbei, wo irgendwer das in bewährter Art und Weise schon bisher getan hat, und meinen, diese Organisationen sollen es auch weiterhin tun.

Ich kann Ihnen dazu nur folgendes sagen: Das war nicht die Absicht unserer Anfrage vor Weihnachten und ist auch nicht die Absicht der Debatte hier. Wir meinen, daß sich dieses Haus mit dem Zustand in diesem Land ganz dringend befassen sollte.

Nun lassen Sie mich auf einige Fragen und Antworten eingehen, um die deutliche Diskrepanz zwischen der Realität und dem, was da geantwortet wird, zwischen Traum und Wirklichkeit, wie das der Bundesregierung vorschwebt, aufzuzeigen. Frau Kollegin Reitsamer ist natürlich darauf eingegangen, daß Armut besteht. Nur – das möchte ich auch in die Richtung der SPÖ sagen –: Es ist schön, wenn Sie die Berichte über die Armutskonferenz gelesen haben, doch noch schöner wäre es gewesen, wenn Sie dort gewesen wären. Es ist keine Vertreterin und kein Vertreter der SPÖ bei der Armutskonferenz gewesen (Ruf bei der SPÖ: Damals war Plenum!), und es wäre sehr wichtig gewesen, das einmal überhaupt wahrzunehmen. Es war die zweite Konferenz dieser Art in diesem Land. (Ruf bei der SPÖ: Damals war Nationalrat!)

Nun zu der Anfragebeantwortung: Das Thema Obdachlosigkeit ist zurzeit eines der markantesten Phänomene in diesem Land. Es gibt eine wirklich drastische Steigerung der Obdachlosigkeit, die in keiner Weise unbedingt damit zusammenhängt, ob ein Mensch beschäftigt ist oder nicht. Es gibt viele Ursachen dafür. Es gibt, wie wir inzwischen wissen und wie auch Sie wissen – das setze ich voraus –, die Tatsache, daß Familien mit mehreren Kindern immer mehr in die Armutsfallen rutschen, daß Familien delogiert werden, daß Familien in die Situation kommen, ohne Wohnung, ohne Dach über dem Kopf dazustehen. Zu diesem Bereich fiel Ihnen in


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