Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 66. Sitzung / Seite 87

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14.14

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir behandeln jetzt den Sozialbericht 1995. Dieser Bericht ist – ebenso wie die Berichte der Vorjahre – eine interessante und gut gestaltete Information und ein Nachschlagewerk.

Auffallend in diesem Bericht sind folgende Punkte:

Der Anteil der ausländischen Beschäftigten – inklusive jener aus dem EWR-Raum – an der Gesamtzahl der Beschäftigten hat 1995 schon 9,8 Prozent betragen.

1995 haben sich Lehrstellensuchende und das Angebot an Lehrstellen in Österreich noch die Waage gehalten. Es herrschte ein Verhältnis 1 : 1. Heute kommen auf 4 855 Lehrstellensuchende nur mehr 2 418 Lehrstellen. Das Verhältnis ist praktisch 2 : 1 gegen Lehrstellensuchende ausgerichtet. Trotz dieser erkennbaren Entwicklung wurde die Zeit zwischen 1995 und 1997 mit politischem Geplänkel vergeudet, ohne zu sachlichen Lösungsansätzen zu kommen.

Die Pensionsversicherung benachteiligt, wie dem Sozialbericht zu entnehmen ist, trotz Pensionsreform die Frauen immer noch deutlich. Die durchschnittliche Pension der Männer beträgt 13 879 S, jene der Frauen liegt mit 7 922 S deutlich darunter. Dazu kommt noch die mit dieser Pensionsreform vor einigen Jahren beschlossene Nettoanpassung, durch die die Pension von Jahr zu Jahr weniger wird.

80 Prozent der Pensionen in Österreich werden heute noch vor dem Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters zuerkannt. Noch immer ist der monatliche Ruhebezug der Beamten im Durchschnitt höher als die höchstmögliche ASVG-Pension. Es steht der durchschnittliche Ruhebezug eines Beamten mit 32 200 S der mit 26 521 S höchstmöglichen ASVG-Pension gegenüber, also eine Schere, die weit offen ist.

Die Lohnquote sinkt weiter. Die Steuern und Sozialabgaben von Lohneinkommen nahmen in den letzten eineinhalb Jahrzehnten stärker zu als das Einkommen aus Besitz und Unternehmungen. 240 000 Personen verdienten in Vollbeschäftigung – nicht in Teilzeitbeschäftigung! – weniger als 12 000 S brutto im Monat. Das muß uns doch sehr, sehr zu denken geben.

Frau Bundesminister! Sie haben im Sozialausschuß gemeint, wir müßten Vertrauen in das österreichische Pensionssystem haben. Das Umlageverfahren werde auch künftig das einzig richtige System sein, um in Österreich den Lebensstandard im Alter abzusichern. Ein Kapitaldeckungssystem als private Zusatzversicherung könne nur ergänzend wirken.

Wir wissen alle, daß die Pensionen nach dem Umlagesystem selbstverständlich die Grundabsicherung sein müssen. Auch wir haben das immer vertreten. Wir haben aber immer wieder bessere Möglichkeiten für eine private Vorsorge und eine betriebliche Vorsorge gefordert. Da ist man in den Ansätzen steckengeblieben. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, im Zuge der Verhandlungen um die flexible Arbeitszeit, wodurch es Lohneinbußen für Mitarbeiter gibt, im Prinzip ein zinsenloser Kredit der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber bezahlt wird und die Wochenend- und Feiertagsruhe in Frage gestellt wird, in diesem Sinne einzugreifen, denn für Konzerne ist diese Regelung maßgeschneidert, familienpolitisch jedoch ist sie äußerst bedenklich.

Es hätte möglich sein müssen, eine Reform des Abfertigungsanspruches zugunsten der Arbeitnehmer durchzusetzen, denn derzeit ist dadurch die Mobilität der Arbeitnehmer – wenn wir schon von Flexibilität reden – noch immer eingeschränkt. Es müßte möglich sein, daß die Abfertigung entweder auch bei Selbstkündigung ausbezahlt wird oder in eine betriebliche Altersvorsorge – was das bessere System wäre – umgeleitet wird. Das haben Sie bei diesen Verhandlungen verabsäumt.

Ebenfalls haben Sie es verabsäumt, gleichzeitig mit den flexiblen Arbeitszeiten eine Lohnsteuerreform durchzuführen. Der Herr Finanzminister hat das auf das Jahr 2000 hinausgeschoben. Wir alle wissen, daß das Lohnsteueraufkommen von 88 Milliarden Schilling im Jahre 1989 auf 160 Milliarden Schilling im Jahr 1996 angestiegen ist und für heuer 183 Milliarden


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