Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 66. Sitzung / Seite 91

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sozusagen als grauer Finanzausgleich in die Länderkassen zu fließen. Das ist zwar von der Pflegeleistung her gesehen keine Zweckentfremdung, entspricht aber nicht der Philosophie des Pflegegeldes.

Die derzeitige Philosophie setzt nämlich voraus, daß sich der Pflegebedürftige, der Klient im Pflegewesen, selbst organisieren kann. Er kann sicherlich auch die Wahl des Heimes treffen. Da wir aber kein System einer persönlichen Assistenz, keine derartigen Dinge entwickelt haben, sind in der Regel die Heime die einzige Adresse, an die er sich wenden kann, wenn es nicht anders geht. Das führt aber zu dieser De-facto-Zweckentfremdung.

Wenn hingegen im Familienverband Pflegeleistungen erbracht werden, daher teilweise das Geld auch im Familienverband bleibt, dann ist das meiner Ansicht nach keine Zweckentfremdung. Das ist möglicherweise, wenn Sie so wollen, ein quasi grauer Arbeitsmarkt, und man müßte einmal darüber reden, ob man da nicht etwas verbessern könnte. Es kann auch dazu führen, daß das von der unmittelbaren Umgebung des Betroffenen mißbraucht wird. Es ist klar, daß das grundsätzlich möglich ist. Aber man kann doch nicht davon ausgehen, daß Teilzuschüsse für Pflegeleistungen – mehr ist das Pflegegeld ja nicht; das sind ja keine Vollkostenerstattungen – dann, wenn sie im Familienverband bleiben und einem Familienmitglied ermöglichen, dem Betroffenen viel Zeit zu widmen, sowie eine kleine Teilentschädigung für den Betroffenen selbst eine Zweckentfremdung darstellen.

Das ist keine Zweckentfremdung, sondern das ist doch eigentlich das, was wir wollten. Es ist vielleicht nicht sehr transparent, weil sich alles nach der Versteuerung abspielt. Wenn wir das ändern wollen, dann müssen wir die Bilanz verlängern. Dann müßten wir höhere Beträge zahlen, die die Empfänger des Geldes dann selbst versteuern müßten. Das wäre vielleicht sogar eine gute Idee, weil das deutlicher machen würde, was in diesem Bereich geschieht, und weil die Betroffenen damit vielleicht sogar eigene Versicherungsleistungen finanzieren könnten, aber es verlängert die Bilanz. Zunächst würde dies auf der einen Seite mehr Ausgaben bewirken, die erst später auf der anderen Seite als Einnahmen wieder hereinkämen – und derzeit ist es ein ungünstiger Zeitpunkt, so etwas zu fordern. Ein überlegenswerter Gedanke ist es immerhin. Eine Zweckentfremdung ist es jedenfalls nicht!

Ich meine, daß wir nur dann, wenn wir in diesem Geiste weiterdiskutieren, weiterkommen werden. Das wäre nämlich gelebte Nachbarschaft, Familie und Teilzeitarbeit in einem. Natürlich braucht man dann auch eine begleitende Kontrolle, aber das wird bei einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit anderen vertrauenswürdigen Diensten – egal, ob mit Caritas, Rotem Kreuz oder dörflichen Übersichten – wohl möglich sein.

In diesem Sinne bitte ich, im Rahmen solcher Überlegungen nicht immer gleich das Wort "Zweckentfremdung" in den Mund zu nehmen, wenn man einen Einzelfall oder auch mehrere Einzelfälle meint, in denen tatsächlich jemand abgezockt worden ist. Das wird es immer geben. Ein Gesetz, das den Fall ausschließt, daß es irgend jemand auch einmal mißbrauchen kann, werden wir, so fürchte ich, nicht erfinden. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Rosemarie Bauer. )

14.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gatterer. – Bitte, Frau Abgeordnete. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

14.37

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Obwohl der Sozialbericht aus dem Jahr 1995 stammt, ist er für uns, für die Mitglieder dieses Hohen Hauses, eine sehr wesentliche Arbeitsunterlage. Er zeigt auch die notwendigen Weichenstellungen für die Zukunft auf.

Ich möchte hier auch einen herzlichen Dank an alle Mitarbeiter aussprechen, die zur Erstellung des Berichtes beigetragen haben, deren Arbeit aber manchmal nicht entsprechend gewürdigt wird. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Die Abgeordneten haben oft das Gefühl, daß es schon sehr aufwendig ist, den Bericht zu lesen und zu studieren, aber noch viel mehr Arbeit steckt dahinter,


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