Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 67. Sitzung / Seite 77

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Das Jahr 1996 – ich bleibe bei meinen Anschuldigungen im Ausschuß – war ein Jahr des Lobbyings und Intervenierens. Wer den besseren Draht zu Scholtens Büro hatte, konnte Einfluß nehmen. Dem war so! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Parnigoni. )

Auf diesen Vorwurf, der über die "Presse" verbreitet wurde, hat der Vater, die Mutter, eigentlich der Erfinder des Gesetzes, Herr Kollege Lukesch, über die "Presse" geantwortet. Er schreibt: Ein Jahr Intervenieren und Lobbying – so hat sich der Abgeordnete Grollitsch im Ausschuß lustig gemacht zur Entstehung des Universitäts-Studiengesetzes. Es spricht offenbar die autoritäre Führungsideologie der Freiheitlichen aus den Worten des Abgeordneten, wenn er Dialog mit Lobbying verwechselt. – Soweit die Aussagen des Abgeordneten Lukesch in der "Presse". (Abg. Dr. Lukesch: Im Original!)

Nun ein Zitat aus der heutigen Diskussion, in der Kollege Van der Bellen exakt zu diesem Thema wörtlich sagte: Merkwürdigkeiten beherrschten die Zuordnung von Semestern und Semesterstunden. Welche Lobby sich schneller durchgesetzt hat, kam zum Tragen. – Während dieser Worte hat der Abgeordnete Lukesch nicht nur beifällig genickt, sondern am Ende der Ausführungen auch geklatscht. Welche Doppelbödigkeit ist daran erkennbar! (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek. )

Dieses Lobbying und dieses "Geziehe" um Semesterstunden, um die Anzahl von Semestern sei an einem kurzen Beispiel erörtert. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Um etwa Magistra philosophiae facultatis theologicae, also Mag. phil. fac. theol., werden zu können, sind 100 bis 120 Stunden in acht Semestern vorgeschrieben. Will man an der gleichen Fakultät Mag. theol. werden, dann benötigt man bereits zehn Semester und 150 bis 170 Stunden. Will man Magister rerum socialium oeconomicarumque, also Mag. rer. soc. oec., zu deutsch: Betriebswirt vice versa Betriebswirtin, werden, reichen ebenso wie für das Studium der Wirtschaftswissenschaften acht Semester mit 100 bis 125 Wochenstunden. Studiert man aber ein vergleichbares Studium, um Wirtschaftsingenieur zu werden, dann braucht man zehn Semester und bis zu 235 Stunden. Für Sportwissenschaften reichen acht Semester, für Geographie neun, für Physik und Psychologie zehn und so weiter.

Eine Nachvollziehbarkeit dieser Vorgaben ist für uns ganz einfach nicht erkennbar. Es ist zu fragen, ob das Gesetz mit diesen Vorgaben das Richtige in Richtung Deregulierung getroffen hat und die Bedürfnisse der Universitäten in geeigneter Weise vorgegeben hat.

Kollege Lukesch! Ich kenne Ihre Vorarbeiten zu diesem Gesetz und weiß sie auch zu schätzen, sich aber als Vater und Mutter zugleich zu bezeichnen, ist vermessen. Vater des Gesetzes ist die lange Studiendauer in Österreich, Mutter des Gesetzes sind zweifelsfrei die leeren Kassen, die Spar- und Belastungspakete. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lukesch: Kollege Grollitsch! Dann sind Sie die Vollwaise dieses Gesetzes! – Abg. Kiss: Die FPÖ ist die Vollwaise! )

Ein Vorwurf, der unisono in vielen Zuschriften von Universitäten, vom Mittelbau und auch von studentischer Seite, eingetroffen ist, ist, daß die Einschränkungen im Hinblick auf die Länge und Intensität klar nachvollziehbare Qualitätsverluste unserer Studien und Wettbewerbsnachteile für unsere Absolventen im EU-Raum bringen werden. Diese durchgehende Kritik ist auch bei Ihnen gelandet, Kollege Lukesch.

Wir haben im Ausschuß versucht, Ihre Meinung dafür zu gewinnen, daß man wenigstens den § 6 dieses Gesetzes ändert, in dem das Studienjahr definiert ist. Nach diesem § 6 besteht das Studienjahr aus 30 Wochen Vorlesungszeit, der Rest ist vorlesungsfreie Zeit. In der Bevölkerung wird die vorlesungsfreie Zeit de facto als Ferien- oder Urlaubszeit verstanden. Um das Studienjahr neu zu strukturieren und den Praxisbezug hineinzunehmen, war unser Vorschlag, daß man die Studienzeit allenfalls um eine Woche pro Semester verlängert – um den Qualitäts- und Intensitätsverlust wenigstens im Ansatz auszugleichen (Abg. Dr. Lukesch: Das kann man ja!)  – und die Prüfungszeiten im Studienjahr expressis verbis so nennt, mit vier Semestern auch so artikuliert, um den Eindruck, daß man ein Arbeitsjahr auf 30 Wochen reduziert, zu verdrängen.


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