Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 67. Sitzung / Seite 137

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Es hat zwei Argumente gegeben, die die Bundesregierung auf den Tisch gelegt hat. Man hat einerseits gesagt, die Verkürzung der Fahrzeit zwischen Wien und Graz um 25 Minuten sei ein wichtiges Argument. Dieses ist dann später immer mehr davon abgelöst worden, daß behauptet wurde, man brauche mehr Kapazitäten über den Semmering. Wenn man sich das jetzt ansieht, dann muß man fragen: Was heißt das für die Bahn? Wie würde sie das rechnen müssen? Sie müßte doch letztlich zumindest einen Teil der Kosten des Semmering-Basistunnels über die Frachtgüter wieder hereinbekommen. Jetzt ist es aber bei Frachtgütern völlig egal, ob diese 25 Minuten länger oder kürzer auf der Strecke sind. (Abg. Wurmitzer: Das stimmt nicht!) Das stimmt schon, Herr Abgeordneter!

Was können Sie denn ansetzen? – Sie könnten allenfalls die Kapitalbindung ansetzen, die die Fracht dort hat, und das könnten Sie dann hernehmen für die Ertragsberechnung. Aber dann wäre es so, daß bei den Mehrkosten pro Waggon durch den Bau des Semmering-Basistunnels – und diese Mehrkosten betragen 2 000 S, 2 100 S pro Waggon – der Wert der Fracht eines Waggons bei Kapitalkosten von 7,5 Prozent über eine halbe Milliarde Schilling ausmachen müßte. (Abg. Wurmitzer: Die Rechnung ist falsch!) Fracht im Wert von 589,1 Millionen Schilling müßte in einem Waggon drinnen sein. Ich garantiere Ihnen: Das ist nicht der Fall.

Über die Frachtkosten bekommen Sie das nicht herein. Sie müssen das also, wenn Sie es über die Fracht nicht hereinbekommen, über den Personenverkehr hereinbekommen. Sehen Sie sich das aber an: Bei einer Passagieranzahl von 3,4 Millionen würde die Kostenbelastung pro Passagier und Strecke rund 200 S ausmachen. Auch das, so werden Sie mir zugestehen, geht nicht, denn bezogen auf die 25 Minuten müßte dann jedem die Minute, die er in der Bahn sitzt, 8 S wert sein. Herr Abgeordneter Wurmitzer! Da hätten Sie dann einen Stundenlohn des durchschnittlichen Bahnfahrers von 480 S. Das ist jedenfalls ein Vielfaches von dem, was ein Industriearbeiter bekommt, der bekommt nämlich nur 130 S. Daher kann das auch über den Personenverkehr nicht hereingebracht werden. – Also weder über den Fracht- noch über den Personenverkehr ist der Semmering-Basistunnel wirtschaftlich zu betreiben!

Dann hat die Bundesregierung in der Argumentation umgeschwenkt und gemeint: Wenn die Wirtschaftlichkeit durch diese Fahrzeitverkürzung nicht gegeben sei, dann sei sie doch vielleicht am ehesten durch die Kapazität zu erreichen. Da zeigt aber auch die Prognos-Studie eindeutig, daß die Kapazitätsengpässe nicht durch den Semmering an sich, sondern durch die Vor- und Zulaufstrecken gegeben sind. Das ist ein Faktum. Es ist klar, daß auch innerhalb der nächsten Jahrzehnte auf der alten Semmeringstrecke keine Kapazitätsengpässe zu erwarten sein werden. Daher ist auch dieses Argument nicht richtig.

Schließlich hat man gesagt, es gebe auch übergeordnete europäische Interessen, zum Beispiel die europäischen Schienennetze. Die europäische Dimension dürfe man doch nicht vergessen. Aber da zeigt ein Blick auf die Landkarte, Herr Abgeordneter Kröll, daß der Semmering in eine inneralpine Sackgasse führt. Er führt in eine inneralpine Sackgasse, wenn es um die Güterströme geht, und aus dieser Sackgasse kommen Sie nur durch weitere teure Tunnelprojekte wieder heraus. Daher kann es diese Anpassung auch nicht sein. Denn seien wir doch ehrlich: Die Semmeringbahn ist das Resultat einer schwerindustriellen Konzentration in der Obersteiermark, die aber offenbar nicht aufrechterhalten werden wird. Und weil das so ist, kann dieses Argument der internationalen Güterströme ... (Zwischenruf des Abg. Wallner. ) – Herr Abgeordneter Wallner! Es hilft nichts, wir müssen der Realität in dieser Sache ins Auge sehen!

Ich weiß, daß ein Abgeordneter aus der Region sagen wird: Ich möchte, daß dort Investitionen getätigt werden. Aber man wird damit nur Strukturen festschreiben, die auf Dauer nicht gehalten werden können. Und wir werden das erleben, was wir immer erlebt haben, nämlich daß sich die SPÖ, die eine typisch strukturkonservative Partei ist, aus kurzsichtiger Politik – nicht opportunistischer, aber kurzsichtiger Politik – den Realitäten verschließt. Und wir werden diese Kosten volkswirtschaftlich auch zu tragen haben. (Abg. Wallner: Die Industriebetriebe in der Obersteiermark schreiben alle schwarze Zahlen!)

Herr Abgeordneter! Es ist doch kein Zufall, daß die Semmeringstrecke, im vorigen Jahrhundert gebaut, über den Semmering verläuft, während aber die Süd Autobahn, in diesem Jahrhundert


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