Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 154

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Weiters heißt es: Eine gewisse Nervosität macht sich beim SPÖ-Geschäftsführer breit. Andreas Rudas spricht sich massiv gegen einen Ausschuß zur Aufklärung der Kurdenmorde aus. – Ich zitiere die "SN" vom 16. 4. 1997; das erwähne ich, damit es hier nicht zu Mißverständnissen kommt. – Er war Pressesprecher von Innenminister Blecha und einer der ersten, der vom Kanonengeschäft der Noricum informiert war. Das ist im Zusammenhang mit der Furcht vor Wirtschaftssanktionen zu sehen, die damals ausgesprochen worden sind. Zudem sagte Irans Ex-Staatspräsident Bani Sadr, die Mullahs hätten gedroht, Details zum Kanonendeal der Noricum bekanntzugeben. – Soweit mein auszugsweises Zitat.

Bitte, dieser Mann ist in Berlin beim "Mykonos"-Prozeß gehört worden. Warum haben wir nicht die Möglichkeit, das hier seriös zu diskutieren? Warum sind Sie denn so nervös? Haben Sie etwas zu verbergen, dann lehnen Sie es ab. Haben Sie nichts zu verbergen, dann stimmen Sie zu. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Löschnak: Wer ist nervös?)

19.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt vom Herrn Abgeordneten Anschober vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.29

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Deutschland werden Mörder verurteilt. (Abg. Mag. Mühlbachler: Aber vom Gericht, nicht von einem Parlamentsausschuß!) In Wien eskortiert man sie zum Flughafen. – Das sind die Worte von Helen Ghassemlou, der Witwe des Kurdenführers, der 1989 mit seinen Freunden in Wien ermordet wurde. Ich bin froh darüber, daß sie als Betroffene dieser Debatte beiwohnt, und möchte sie auch begrüßen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Worte der Witwe bringen an und für sich den Sachverhalt auf den Punkt. Ich persönlich war erschüttert, wie hier vom Kollegen Leikam mit Nebelwerfern gearbeitet wird, wie hier versucht wird, wieder zu verzögern, zu verschütten, die Konturen zu verwischen. Herr Kollege Leikam! Es geht nicht alleine um den "Mykonos"-Akt. Es liegen unzählige österreichische Polizei- und Justizakten vor, die Sie sich nur anzusehen brauchen, für die Sie nur Interesse haben müssen, die belegen, daß es hier nicht mit rechten Dingen zugegangen ist.

Es geht in dieser Angelegenheit, und davon bin ich zutiefst überzeugt, um eines der dunkelsten Kapitel Österreichs in den letzten Jahren.

Es geht seit "Mykonos" und seit dem Berliner "Mykonos"-Urteil aber auch um eine Chance, um eine neue Chance für Österreich, daß es tatsächlich zu einer Aufklärung kommt. Es ist interessant, daß zwei der drei hauptbetroffenen Minister heute als Abgeordnetenkollegen hier im Haus sind: Kollege Mock und Kollege Löschnak. Beide könnten in einem Untersuchungsausschuß sehr viel Interessantes zur Wahrheitsfindung beitragen. Ich bin überzeugt davon, daß das sehr interessant wäre.

Bei uns haben sich nach dem "Mykonos"-Urteil vergangene Woche eine Reihe von Zeugen gemeldet. Wir haben neue Akten auf dem Tisch. Wir haben bereits begonnen, einen Teil dieser Akten vorzulegen und zu veröffentlichen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was jetzt als Verteidigungslinie aufgezogen wird, nämlich daß es sich um traurige Pannen, um unglückselige Polizeipannen gehandelt habe, das ist mittlerweile auszuschließen. Diese Akten belegen eindeutig, daß es politische Hintergründe für das Entkommenlassen der Mörder von Wien gegeben hat, und das muß doch bitte für ein Parlament, für einen Nationalrat, für gewählte Mandatare Grund genug sein, der Untersuchung stattzugeben, die politischen Hintergründe für dieses Entkommenlassen aufklären zu wollen. Es gibt für mich daher nur zwei Möglichkeiten: Entweder stimmt das, was Bani Sadr unlängst in einem Interview vor dem "Mykonos"-Prozeß gesagt hat, nämlich daß es eine Querverbindung zum Noricum-Verfahren und zu den Kick-back-Zahlungen nach Österreich gegeben hat, oder es handelte sich um vorauseilenden Gehorsam der österreichischen Behörden.


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