Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 71. Sitzung / Seite 79

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14.01

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die österreichischen Volksgruppen haben einen wesentlichen Beitrag zur Kultur dieses Landes geleistet. Sie sind Teil unseres Selbstverständnisses, und wir sind den gewachsenen autochthonen österreichischen Volksgruppen dafür dankbar, daß sie stets zu Österreich gestanden sind, zu Österreich stehen und auch einen Beitrag in diesem Lande leisten. Sie sind auch in fast allen unseren Parteien politisch aktiv. Wir brauchen ihre Mitarbeit, und wir danken ihnen auch für ihre Mitarbeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn man einen kurzen Blick zurück macht und an den Ortstafelstreit denkt, sieht man, wie gefährlich es sein kann, den sozialen Konsens in unserem Lande überzustrapazieren und Regelungen zu treffen, die von der Bevölkerung nicht getragen werden.

Wir haben in Kärnten nach Abschluß des Staatsvertrages freiwillig für die slowenische Volksgruppe sehr viel mehr getan, als es eigentlich rechtlich gesehen notwendig gewesen wäre. Wir haben nämlich ein Minderheitenschulgesetz gemacht, das weit über die Erfordernisse des Staatsvertrages hinausging. Man wollte aber noch weiter gehen, hat den sozialen Konsens überbelastet, und es kam zum Ortstafelstreit.

Jetzt haben die Kärntner zwar die Ortstafeln – Bruno Kreisky hat einmal gesagt, sie hätten wahrscheinlich auch ohne zweisprachige Ortstafeln nach Hause gefunden –, aber sie haben das, was an Mehr im Schulwesen bestanden hat – ich nenne nur die Regelung, daß bei einem einzigen Volksgruppenkind in einer Volksschule der Schulamtsleiter die Zweisprachigkeitsprüfung haben mußte, was ein weitgehendes Recht war – verloren, es wurde im Zuge der ausgleichenden Tätigkeit des Gesetzgebers nach dem Ortstafelstreit zurückgenommen.

Was will ich damit sagen? – Volksgruppenpolitik gegen den Willen der Volksgruppen kann nicht gemacht werden, und Volksgruppenpolitik, die über den sozialen Konsens im Lande hinausgeht, kann auch nicht gemacht werden. Dafür stehen wir nicht zur Verfügung!

Wir stehen nur für eine harmonische Entwicklung zur Verfügung, und ich bin froh darüber, daß das Volksgruppengesetz, das wir dann, um die Scherben zu kitten, die nach dem Ortstafelstreit herumlagen, beschlossen haben, in weiten Bereichen eine positive Entwicklung eingeleitet hat. Die anerkannten Volksgruppen können sich entwickeln, auch dort, wo eine Assimilationspolitik von der Volksgruppe selbst gewünscht wird – Frau Kollegin Stoisits, Sie wissen genau, daß es da gerade im Bereich Ihrer Volksgruppe unterschiedlichste Meinungen gibt –, aber dennoch nicht stattfindet, ist es doch so, daß die Volksgruppen als Teil unserer Identität gefördert werden. Es besteht ein gutes Klima der Zusammenarbeit.

Peter Kostelka und ich haben den Vorschlag gemacht, dieses Volksgruppenrecht weiter auszubauen, und zwar auf der Basis dessen, was wir in den sechziger Jahren im Einvernehmen mit den Volksgruppen begonnen haben. Ich bin überzeugt davon, daß das, was wir vorgeschlagen, aber nicht mehr in dieser Legislaturperiode eingebracht haben, ein guter und wichtiger Schritt für die Entwicklung der Volksgruppen in Österreich gewesen wäre.

Warum habe ich mich nicht mehr dazu bereit gefunden, namens meiner Fraktion einen weiteren Gesetzentwurf einzubringen? – Weil sich ein Teil einer Volksgruppe – angestachelt von wem auch immer; das sogenannte selbsternannte Volksgruppenzentrum und der sogenannte selbsternannte Minderheitenvertreter Smolle haben einen wesentlichen Anteil daran – plötzlich mit dieser organischen Entwicklung nicht einverstanden erklärt. Die slowenische Volksgruppe ist eine der großen autochthonen Volksgruppen in Österreich, und wenn ein Teil dieser Volksgruppe sagt: Wir wollen das nicht, was ÖVP und SPÖ vorschlagen!, dann werden wir gegen eine solche politische Meinung keine Volksgruppengesetze machen.

Die Südtiroler hätten ihre modellhafte Autonomie nicht erreicht, hätten sie so gestritten, wie es die slowenischen Organisationen, angestachelt – noch einmal: angestachelt! – vom Volksgruppenzentrum einerseits und von anderen Kräften, die das Blaue vom Himmel versprechen, andererseits, untereinander in den letzten Jahren getan haben.


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