Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 74. Sitzung / Seite 23

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großen Länder wollen eine Veränderung der Kommission in der Weise herbeiführen, daß nicht mehr jedes Mitgliedsland automatisch seinen Kommissär in der Kommission hat. Das lehnen wir strikt ab. Wir glauben vielmehr, daß die Kommission nur dann glaubhaft für ganz Europa sprechen kann, wenn jeder Mitgliedstaat mit Sitz und Stimme darin vertreten ist. Da "fährt die Eisenbahn drüber". Mag das am Ende auch noch so kritisch werden: Ich kann mir nicht vorstellen, daß Österreich – wie auch andere kleine Länder – in dieser Frage nachgeben kann und darf. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die zweite kritische Frage wird die Umgewichtung der Stimmen sein. Es ist wahr, daß heute die kleineren Staaten im EU-Rat ein überproportionales Stimmgewicht haben. Österreich hat vier Stimmen, hingegen haben die Deutschen, obwohl die Bevölkerungszahl zehnmal so groß ist, nur zehn Stimmen. Daraus resultiert ein Stimmenverhältnis von 4 : 10, wogegen das Bevölkerungsverhältnis 1 : 10 ist. Das ist selbstverständlich ein Vorteil für Österreich. Doch kommt darin eine bewußt eingesetzte Balance zum Ausdruck, derzufolge die kleineren Staaten mit größerem Nachdruck sprechen können und vertreten sein sollen. Das hat sich als ein gutes Prinzip in der Geschichte der Europäischen Union erwiesen.

Ich kann mir nicht vorstellen, daß man ohne Notwendigkeit – und eine sachliche Notwendigkeit dafür gibt es nicht – daran etwas ändert. Vorstellen könnte ich mir aber, daß man eine weitere Barriere zusätzlich einführt, indem man bei jeder Abstimmung nicht nur überprüft, ob es eine qualifizierte Mehrheit gibt, sondern überdies nachfragt, ob durch die Stimmen im Ministerrat auch eine entsprechende Bevölkerungsmehrheit repräsentiert wird. Dagegen hätte ich nichts einzuwenden. Wenn sich bei einer Abstimmung herausstellt, daß dieser Entscheid auch von ungefähr 60 Prozent der europäischen Bevölkerung getragen ist, dann ist das meiner Meinung nach ein zusätzliches demokratisches Kriterium, das den Abstimmungen in der Union guttun würde. Am Ende würde ich einen solchen Kompromiß akzeptieren. Ich hoffe, daß auch das Parlament dabei mitgehen würde. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich komme zum Schluß. – Eine wichtige Rolle in den Institutionen spielt auch das Machtverhältnis oder das Kräftegleichgewicht zwischen dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten. Österreich setzt sich sehr stark für mehr Rechte für das Europäische Parlament ein, ohne dabei die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten der nationalen Parlamente in Frage stellen zu wollen.

In dieser Frage werden wir einen Teilerfolg heimbringen, das sage ich ganz offen: Es wird mehr Mitentscheidungen geben. Der große Durchbruch wird aber aufgrund der Skepsis vor allem unter den großen Mitgliedsländern ausbleiben. Wir wollen aber in einem Vertragsprotokoll zusätzlich verankern, daß den nationalen Parlamenten, auch dem österreichischen, eine starke Stimme in der europäischen Mitentscheidung gesichert wird.

Das sind im Umriß die Ergebnisse vor dem "Endspiel", in dessen Rahmen zwei Außenminister-Runden und zwei Klausuren im Europäischen Rat stattfinden werden. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Vizekanzler für seine Stellungnahme und Information.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein. Nach § 97a Abs. 6 der Geschäftsordnung sind die Redezeiten mit 5 Minuten begrenzt.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Maria Rauch-Kallat. – Bitte.

9.45

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Regierungskonferenz zur Europäischen Union, die im März 1996 in Turin begonnen hat, soll mit dem europäischen Gipfeltreffen in Amsterdam im Juni 1997 abgeschlossen werden.


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