Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 74. Sitzung / Seite 40

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den Europäischen Wirtschaftsraum und in die Europäische Union. Vier Jahre später wird die neuerliche Novellierung wie folgt begründet – Zitat –: "Weil die geltenden Rechtsvorschriften unzureichend, veraltet, kostenintensiv und weitreichend nicht EU-konform sind." – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von der Jahrhundertreform aus dem Jahre 1993 ist nicht mehr viel übriggeblieben.

Schon damals haben die Freiheitlichen die Novellen als bauernfeindlich kritisiert, weil es eine erhebliche bürokratische Erschwernis für kleine Züchter gab, den Einstieg in die Anerkennung zu schaffen. Die Konzerne dominieren, und mit dem jetzt zur Beschlußfassung vorliegenden Gesetz wird sich diese Tendenz zweifellos noch verstärken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Schon damals wollte die Koalition das Recht auf Austausch bäuerlichen Saatgutes ersatzlos streichen. Erst im letzten Moment wurde dieser Passus durch die Wachsamkeit nicht zuletzt der freiheitlichen Abgeordneten wieder herausgestrichen.

Die Saatgutvermehrung ist tief in der bäuerlichen Tradition verankert. Die besten Flecken auf einem Acker wurden immer dafür reserviert, um sie für den Wiederanbau beziehungsweise für den gegenseitigen Austausch zu verwenden. Das entspricht der Tradition bäuerlichen Denkens, das war etwas Heiliges, das von Generation zu Generation weitervererbt wurde.

Damit soll nun Schluß sein, denn da haben jetzt die großen Konzerne die Hand drauf. Auch die diesmalige Korrektur im Gesetz ist nur eine halbe, daher wird es einen gemeinsamen Abänderungsantrag der Grünen und der Freiheitlichen zu diesem Thema geben.

Herr Bundesminister! Wir müssen leider feststellen, daß der lange Atem der Züchterlobbies bis in Ihr Büro reicht, sonst hätten Sie einen derartigen Entwurf dem Parlament nicht vorlegen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Sortenzulassung wird noch bürokratischer, noch aufwendiger und im Bund zentralisiert. Es wird ein sehr aufwendiges Zulassungsverfahren eingeführt. Die vor drei Jahren novellierten Zuchtbücher und Sortenverzeichnisse haben eigentlich nur mehr Museumswert. Sie werden 20 Jahre aufgehoben, aber die darin enthaltenen Sorten sind nur mehr vier Jahre nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes zugelassen.

Und was kommt dann? – Dann kommt das EU-Saatgut-Regime: EU-genehmigte Sorten, EU-Zulassung, EU-Kennzeichnung, EU-Patente, Gebührenregelungen, Lizenzvorschreibungen. Die Europäische Union fegt auch in diesem Bereich die nationale Gesetzgebung völlig hinweg.

Herr Bundesminister! Dieses neue Saatgutgesetz wird in Zukunft nur mehr der Treibriemen für die Vollziehung des europäischen Rechts sein. Unser Parlament hat nichts mehr zu bestimmen, zumal ja auch Ihnen als Minister die Verordnungsermächtigung zukommt.

Auch die Länder äußern massive Bedenken und wollen dieses Gesetz beeinspruchen. Ich zitiere aus der Stellungnahme des Amtes der Kärntner Landesregierung und des Verfassungsdienstes, in der folgende Meinung vertreten wird: "Es ist verfassungsrechtlich wohl als bedenklich zu bewerten, wenn das Inkrafttreten einer Verfassungsbestimmung von der Erlassung einer Verordnung abhängig gemacht wird. Damit würde das Wirksamwerden des Parlaments von der Initiative eines Vollzugsorganes abhängig sein."

Das ist die parlamentarische Realität nach dem EU-Beitritt: ein Parlament, das – wie wir heute in den Debatten schon gehört haben –, entmündigt, entmachtet wird. Das Kartell der Vertuscher verlagert alle Untersuchungen außerhalb dieses Hauses, und das zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Gesetzesvorlagen, die wir hier zu beschließen haben. (Abg. Haigermoser: Ein rot-schwarzer Strick ist daraus geworden!) Das ist für mich ein echtes demokratiepolitisches Problem.

Auch inhaltlich wird dieses Saatgutgesetz von den Bundesländern schwer kritisiert – zum Beispiel von Tirol –, die natürlich berechtigte Sorge haben, daß aufgrund der Zentralisierung ihre


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