Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 74. Sitzung / Seite 82

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wird einerseits Industriebetriebe, Agrarindustrie geben – und andererseits hoffentlich auch einen starken Zweig der biologischen Landwirtschaft. Und dazwischen wird es gar nichts mehr geben. Das zeichnet sich schon heute ab. Und alle, die hier den Bäuerinnen und Bauern vorgaukeln, es werde ein bißchen von dem, ein bißchen von dem und ein bißchen Gentechnik und ein bißchen Biolandbau geben, die sagen nicht die Wahrheit, denn dagegen sprechen alle ökonomischen Statistiken.

Deswegen ist Ihre Vorgangsweise in bezug auf das Saatgutgesetz eine wirklich verantwortungslose: Nicht nur, daß Sie sich über die 1,2 Millionen Unterschriften derer, die das Gentechnik-Volksbegehren unterstützt haben, hinwegsetzen – die österreichische Bevölkerung ist ja leider schon gewohnt, daß die Regierung sich nicht sehr viel darum pfeift, was die Bevölkerung will –, das Arge daran ist, daß Sie damit auch einen ganzen Berufsstand, der ohnehin um seine Existenz ringt, eigentlich um die Interessen und um berechtigte Positionen prellen.

Herr Bundesminister! Sie tragen dafür die Verantwortung, daß diese klare Trennung biologischer Landbau mit entsprechenden Förderungen und Agrarindustrie in der österreichischen Praxis jetzt nicht realisiert werden kann, was das Saatgut betrifft.

Es ist doch unglaublich, daß zwar chemische Veränderungen des Saatguts zu kennzeichnen sind, nicht aber gentechnische. Und meine Frage ist, auch an die Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion: Wie halten Sie es mit den Versprechen Ihrer Bundesministerin, die für Konsumentenschutz zuständig ist? Sie hat im Zusammenhang mit dem Volksbegehren erklärt, sie unterstütze zwar nicht das Volksbegehren – das hatte eine klare Linie: keine Freisetzungen in Österreich, keine Gentechnik in der Landwirtschaft und in der Nahrung, ein vorsichtiges Ja zur Gentechnik in der Medizin –, sie schließe sich diesem Standpunkt nicht an, wohl aber trete sie für eine lückenlose Kennzeichnung ein.

Jetzt auf einmal kommt ein Saatgutgesetz, in dem keine Kennzeichnung von gentechnisch verändertem Saatgut vorgesehen ist, auch keine Kennzeichnung von bestrahltem Saatgut – und auf einmal gehen offenbar die SP-Minister im Ministerrat mit. Ich frage Sie: Was ist denn das, wenn nicht ein Bruch eines Versprechens? (Beifall bei den Grünen.)

Das ist doch eine Verhöhnung der Bevölkerung, wenn Sie vorher sagen: keine totale Absage an Freisetzungen, aber keine Freisetzungen, bevor wir nicht eine klare, eine verschuldensunabhängige Haftungsregelung und eine lückenlose Kennzeichnung haben!, und jetzt ein neues Gesetz, das keine Kennzeichnung vorsieht, vorgelegt wird und Sie wieder mitgehen! Wie weit soll denn das noch gehen?

Wir haben Sie hier im Parlament darauf aufmerksam gemacht: Die Gentechnik-Lobby war vorstellig bei den ÖVP-Ministern, sie war sowohl bei Minister Molterer als auch bei Minister Bartenstein, als auch bei Minister Farnleitner. Dort haben die Vertreter der Firma AgrEvo ganz klar gesagt: Wir werden im Herbst gentechnisch veränderten Winterraps aussetzen. Bei den SP-Ministern waren die gar nicht mehr, sie brauchen sie auch nicht mehr, sie können sich ja darauf verlassen, daß sie im Ministerrat und hier im Hohen Haus ohnehin alles mittragen.

Der Druck dieser Lobby ist stark, und Sie haben eine Zweidrittelmehrheit, Sie können alles beschließen. Sie können auch alle Ihre Versprechen gegenüber der Bevölkerung brechen. – Nur: Warum Sie das tun, warum Sie auch der eigenen Ministerin in den Rücken fallen, das ist mir wirklich nicht verständlich. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Es ist uns ja schon des öfteren passiert – und immer wieder auch mit dem amtierenden Umweltminister –, daß gesagt wird: Jetzt machen wir einmal ein Gesetz, und all das, was die Haftung betrifft, und die Fragen, die daran anknüpfen, erledigen wir dann später. So war das beim Gentechnik-Gesetz und bei der versprochenen Einbeziehung in die verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung. Wir wissen, was dann kam: Das Gentechnik-Gesetz gibt es, es gibt aber keine verschuldensunabhängige Haftung, und es gibt keine Umweltverträglichkeitsprüfung.


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