Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 76. Sitzung / Seite 57

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Dieses Hineinregieren durch Parteientscheidungen gelingt Ihnen über das Eigentum, das Sie immer noch an Produktionsmitteln haben. Darum lösen Sie sich ja trotz aller Schwüre nicht davon; alle Schwüre nützen nichts. Immer wieder sagen Sie dasselbe: Wir werden privatisieren, wir werden uns da herauslösen! – Sie tun es jedoch in Wahrheit nicht. Sie tun es am Rande, Sie tun es mit 49 Prozent, Sie tun es scheinbar, aber eines geben Sie nicht auf: den Einfluß – wir Politiker, wir Parteipolitiker, wir wollen mitreden!

Meine Damen und Herren von der ÖVP und der SPÖ! Nehmen Sie zur Kenntnis: Es ist nicht Ihr Land. Es gehört Ihnen nicht. Sie haben diesem Land zu dienen; das wäre Ihre Aufgabe. (Neuerlicher Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Wurmitzer: Was wir auch tun möchten!)

Sie verstecken sich hinter dem Aktienrecht de jure. Sie verstecken sich bei der Objektivierung der Stellenvergabe – natürlich de jure – hinter allen möglichen Gesetzen, die Sie beschließen. De facto genügt das Augenzwinkern, de facto genügt das kurze Gespräch in den Couloirs, de facto genügen die Fraktionssitzungen von Aufsichtsräten. In welcher kulturell entwickelten Marktwirtschaft gibt es das sonst noch, daß sich parteipolitische Fraktionen eine Stunde vor Aufsichtsratssitzungen zusammensetzen, alles ausmauscheln, wodurch die eigentliche Aufsichtsratssitzung, der dann die Kleinaktionäre, die Mitarbeiter beiwohnen, wenn sie nicht ohnehin schon in den Fraktionssitzungen waren, völlig sinnlos geworden ist? Welche Kultur ist das?! Welches Sittenbild ist das, das die heutige Sondersitzung an den Tag bringt?! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Jetzt beginnt die Scheinheiligkeit sich wirklich zuzuspitzen. Wir haben einen neuen 5-Punkte-Plan, in dem lückenlose öffentliche Ausschreibungen, namentliche Veröffentlichungen, Standardverträge, Festlegung marktgerechter Bezüge, Drittvergleich, vollständige Offenlegung aller Einkommen enthalten sind. – Das haben Sie ja schon 1982 beschlossen! Genau dasselbe haben Sie damals beschlossen! Für wie dumm verkaufen Sie denn die Österreicher und Österreicherinnen?

Am 29. Oktober 1982 wurde ein Gesetz noch in der Regierung Kreisky mit genau diesen Inhalten hier im Hohen Haus beschlossen. – Na verkaufen wir das Ganze halt noch einmal. – Sprach Trinkl von Scheinheiligkeit? Meinte Trinkl vielleicht seine eigene? – Sie beschließen heute genau dasselbe und verkaufen es der österreichischen Bevölkerung als neue Errungenschaft; das, was 1982 hier im Hohen Haus beschlossen wurde! Das ist scheinheilig, meine Damen und Herren! (Weiterer Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Noch immer – ich weiß nicht, wie lange noch – durchzieht das ganze Land eine Aufteilung in Machteinflußsphären, wobei es nicht um Sachentscheidungen geht. Da geht es um parteipolitische Positionen; ob in den Sportdachverbänden, ob in den Automobilklubs, ob in den Wohnbaugesellschaften, ob in den Baufirmen, die den verschiedenen Banken gehören, ob in den Banken selbst (Abg. Dr. Khol: Welche meinen Sie denn?): Immer wieder stellt sich heraus, daß die Politik in Österreich viel zu tief in den Bereich der Wirtschaft verwoben ist, wo sie letztlich nichts zu suchen hat.

Dann, wenn oppositionelle Abgeordnete das hier im Hohen Haus aufdecken und Gott sei Dank in einer Sondersitzung thematisieren, damit darüber gesprochen wird, schreien Sie: Haltet den Dieb! und verlangen die Friedhofsruhe, um die Reputation dieser Republik und seiner Banken und Wirtschaftswelt nicht zu gefährden. Sie gefährden sie. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

12.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordnete Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.48

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat einmal eine Zeit gegeben, in der man in der Sozialdemokratie mit Bankenpolitik andere Vorstellungen verbunden hat. Das war in der Zwischenkriegszeit gemäß


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