Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 77. Sitzung / Seite 152

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17.10

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Dringliche Anfrage bezieht sich auf die Bildungspolitik insgesamt und auf die dort zu verzeichnenden Versäumnisse, schwerpunktmäßig aber auf den Schulbereich. Ich denke, es wäre doch wichtig, bei dieser Gelegenheit das Bildungssystem insgesamt unter die Lupe zu nehmen.

Ich glaube, es wäre wirklich verheerend, eine Entwicklung Platz greifen zu lassen, wonach man allein deswegen, weil es im öffentlichen Dienst teilweise eine starre Automatik gibt, die zu Kostensteigerungen führt, in Kauf nimmt, daß vielleicht in Zukunft überhaupt nur noch die Bereiche der repressiven Verwaltung: Polizei, Militär und ähnliches, öffentlicher Dienst bleiben, während alles andere, weil es dort an Reformbereitschaft mangelt, aus den öffentlichen Ausgaben "hinausgekippt" wird.

Ich und meine Fraktion wünschen uns keinen Staat, der als öffentliche Aufgaben im engeren Sinn nur noch die Repression betrachtet, nicht aber die Aufgaben des modernen, leistenden, sozialen Staates. (Beifall bei den Grünen.)

Man müßte eben bereit sein, sich auch mit überkommenen Traditionen auseinanderzusetzen. Es gibt eine beängstigende Entwicklung, die auch Sie, Frau Bundesministerin, aufgezeigt haben: Kostensteigerungen von 3 Prozent – ohne daß etwas zur Qualitätsverbesserung der Schule erreicht wurde, ohne daß sichergestellt ist, daß junge Lehrerinnen und Lehrer bessere Beschäftigungsmöglichkeiten vorfinden, und ohne daß die Schule demokratischer, offener und fördernder wird –, das ist, wie ich meine, eine Entwicklung, die so nicht länger durchzustehen und nicht länger anzustreben ist.

Frau Bundesministerin! Wir haben Ihren Vorschlag sehr interessiert gehört, ein Anreizmodell dafür zu schaffen, daß Lehrerinnen und Lehrer früher in Pension gehen können, wodurch Arbeitsplätze für nachrückende Junglehrerinnen und Junglehrer geschaffen würden. Wir haben zwar unsere Zweifel, ob das wirklich aufkommensneutral möglich ist, ich denke aber, es ist zumindest ein diskussionswürdiger Vorschlag, den man weiterverfolgen müßte.

Eigentlich würde ich mir von Ihnen, Frau Bundesministerin, erwarten, daß Sie mit derartigen Vorstößen innerhalb der Regierung insgesamt einen Beitrag zur Veränderung des öffentlichen Dienstes, zur Veränderung von Einkommenshierarchien, zu einer Verbesserung der Chancen für junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst und auch zu einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung leisten. Wenn Schule ein Modell für Veränderungen im öffentlichen Dienst ist, dann finde ich das positiv. Ich denke aber, es reicht angesichts der derzeitigen Situation nicht aus, wenn das ein kleines, verhaltenes Modell ist, das noch dazu offenbar auch innerhalb der Regierung nicht wirklich auf viel Gegenliebe gestoßen ist.

Frau Bundesministerin! Da werden Sie sich auch mit den Personalvertretungen im öffentlichen Dienst verstärkt auseinandersetzen müssen, denn von dort habe ich wenig Gegenliebe gehört hinsichtlich dieser größeren Solidarität mit jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im öffentlichen Dienst und des allgemeinen Anliegens einer Verkürzung der Lebensarbeitszeit. Diese brauchen wir jedoch dringend.

Ich denke außerdem, daß wir insgesamt mehr Geld für den Bildungsbereich brauchen. Es ist dies die wichtigste öffentliche Investition. Natürlich soll dieses Geld nicht in Automatiken der Kostensteigerungen durch Biennalsprünge und ähnliches fließen. Es sollte insgesamt ein progressives politisches Anliegen sein, in diesen Bereich mehr zu investieren, und zwar nicht nur deshalb, weil wir das für eine demokratiepolitische Grundvoraussetzung halten – besser ausgebildete Menschen sind politisch schlechter manipulierbar –, sondern auch, weil es sich rechnet.

Dazu ein Vergleich: Finnland hat in einer vergleichbar prekären budgetären Situation wie Österreich im Bildungsbereich keine Sparpolitik betrieben. – Im Gegenteil: Man hat die Bildungsbudgets sehr, sehr deutlich ausgeweitet. Finnland ist es mit dieser offensiven Bildungspolitik gelungen, in der internationalen Rangliste der Wirtschaftsstandorte von Platz 18 auf Platz 4 aufzu


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