Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 77. Sitzung / Seite 288

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Viertens: Herr Ex-Innenminister Löschnak! Wissen Sie, worüber sich die Beamten, führende Beamte im Innenministerium am meisten wundern? – Darüber, daß es nur äußerst wenige Akten in der Kurden-Causa im Innenministerium gibt. Warum gibt es nur zwei Aktenkonvolute? (Abg. Gaál: Sie haben keine Ahnung!) Jeder Beamte im Innenministerium sagt uns, daß nur zwei Sachen vorgefallen sein können: Entweder der damalige Ressortchef hat ganz bewußt und gezielt keine Aktenvermerke verfaßt, oder die entscheidenden Aktenvermerke sind irgendwann verschwunden. – Das ist die Auskunft aus dem Innenministerium, Herr Ex-Innenminister Löschnak! Das werden Sie erklären müssen, und das werden Sie in einem Untersuchungsausschuß erklären müssen! Das garantiere ich Ihnen.

Der fünfte Punkt, der sehr stark mit dem Innenressort zu tun haben wird, ist die Frage: Wie kommt ein damaliger Leiter der Staatspolizei dazu, daß er direkt bei der Justiz interveniert, damit Haftbefehle zurückgezogen werden? Hat er von sich selbst aus agiert, Herr Ex-Innenminister Löschnak? War er völlig frei von irgendwelchen Beeinflussungen und von Druck? War er völlig frei von Beeinflussungen seitens des Innenministeriums und seitens des Justiz- und des Außenressorts? – Ich bin mir ziemlich sicher, daß das nicht der Fall war. (Abg. Dr. Löschnak: Sie haben keine Ahnung!)

Der zweite Fragenbereich betrifft den 5. Dezember. – Sie selbst haben einmal bei einem interessanten Gespräch im Innenministerium die Meinung geäußert, daß Sie "überrascht" waren über die Haltung des Außenressorts und über die Politik des Kopf-in-den-Sand-Steckens in dieser Causa. Der 5. Dezember war der Tag des jetzigen Bundespräsidenten: Das Vorgehen Klestils in dieser Frage an diesem Tag ist aufklärungsbedürftig, und zwar nicht nur für mehrere Fraktionen dieses Hohen Hauses, sondern für die gesamte kritische Öffentlichkeit in diesem Land und über dieses Land hinaus.

Was geschah an diesem 5. Dezember? – Es hat zunächst eine vom jetzigen Bundespräsidenten bestrittene Intervention des iranischen Botschafters bei ihm gegeben. Es hat daraufhin ein Telephongespräch Klestil – Löschnak gegeben, und es hat daraufhin die Weisung auf Abzug des Bewachungspersonals der Botschaft gegeben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es besteht nun die Frage, Herr Ex-Innenminister Löschnak: Warum, mit welchem konkreten Druck und mit welchen Argumenten kam es zu dieser Fluchthilfe und zur Fluchtermöglichung in diesem Zusammenhang?

Der Fall der Kurden-Morde in Wien ist kein Einzelfall, das wissen Sie. Unter Ihrem Vorgänger Blecha ist es im Mai 1987 zum Fall Citgar, zum Mord an einem iranischen Oppositionellen gekommen. Auch in diesem Fall gab es keine Ermittlungen seitens der Exekutivbehörden und seitens der Justiz. Und nun ein ganz interessantes Faktum: Bereits Mitte August des Jahres 1989, also nur drei Wochen nach dem Mord an Ghassemlou und seinen Kollegen, wurde im Bundeskanzleramt dem Kabinett des Bundeskanzlers ein Dossier übermittelt, in dem dezidiert und detailliert über die Organisation des iranischen Terrors in Wien für ganz Europa und über die Täter bei den Kurden-Morden informiert wurde.

Herr Ex-Innenminister! Sie müßten dieses Dossier kennen! Wissen Sie, was die Reaktion darauf war? – Schubladierung! Es hat keine Ermittlungen und Recherchen in dieser Causa gegeben, und es hat kein Aufdecken gegeben, ob diese Informationen korrekt sind. Wir wissen mittlerweile nach dem heutigen Erkenntnisstand, daß diese Informationen korrekt waren, und zwar betreffend alle drei Täter im Fall der Ermordung Ghassemlous.

Es gibt jede Menge Fragen in diesem Zusammenhang. Der Fall Ghassemlou ist auch kein Einzelfall. Es gab zwischen 1980 bis 1992 eine Attentatsserie in ganz Europa, insgesamt 34 Morde an iranischen Oppositionspolitikern.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Bitte um den Schlußsatz, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Rudolf Anschober (fortsetzend): Wir werden Sie in den nächsten Wochen und Monaten – und sei es auch zu so später Stunde – immer wieder daran erinnern, daß Sie es sich nicht leisten können, daß Sie bei drei politischen Morden und unter dem dringenden Verdacht,


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