Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 81. Sitzung / Seite 62

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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte.

12.00

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf zum Bundesverfassungsgesetz beschäftigt sich mit verschiedenen Bereichen. Ich werde mich allerdings auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit und auf die Behindertengleichstellung beschränken. Ich begrüße vor allem die Behindertengleichstellung. Damit wird dem ausdrücklichen Verbot der Diskriminierung von Behinderten Rechnung getragen, zu dem wir uns alle bekennen, was auch der Fixierung als Staatszielbestimmung entspricht, die im Interesse der behinderten Menschen und im Interesse der Allgemeinheit gelegen ist.

Mit der gewählten Formulierung geht es darum, eine aktive Gleichbehandlung von behinderten Menschen als ausdrückliches Ziel der Republik zu verankern. Wie schon meine Vorredner gesagt haben, muß es das Ziel sein, dies auch in die Wirklichkeit umzusetzen, denn der politisch-moralische Anstoß für eine derartige Verankerung in der Verfassung liegt einfach in der traurigen Tatsache, daß in ganz alltäglichen Belangen, wie im Berufsleben, im Straßenverkehr, im öffentlichen Verkehr, im Wohnungsbau, Rücksichtnahme auf behinderte Menschen keineswegs selbstverständlich ist. Umso mehr ist diesem Antrag zuzustimmen.

Ich bin aber auch sehr dafür, daß zur Förderung benachteiligter Gruppen der Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 7 B-VG spezieller gefaßt wird, sodaß zum Beispiel die positive Diskriminierung von Frauen ihre verfassungsrechtliche Verankerung erfährt, obwohl mir natürlich bewußt ist, Frau Abgeordnete Gatterer, daß Frau-Sein keine Behinderung ist. Ich weiß schon, daß Sie den Satz jetzt und vorher nicht gehört haben, aber Sie können es dann nachlesen. (Abg. Gatterer: Ja, Frau Lehrerin!)

Meine Damen und Herren! Der Verwaltungsgerichtshof ist, so wie mein Vorredner festgehalten hat, aufgrund bestimmter Beschwerdeangelegenheiten, nämlich des Aufenthalts-, des Fremden- und des Asylgesetzes, überlastet und überbe lastet, und das seit Jahren. Anhand von Zahlen wurde das vom Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes, Dr. Jabloner, veranschaulicht, und zwar hat er folgende Zahlen bekanntgegeben: Im November 1996 ist die Zahl der eingegangenen Beschwerden um fast 2 000 größer gewesen als zum Stichtag 1995, sie betrug nämlich 11 689. Der Rückstand der unerledigten Akten belief sich auf 4 107 Fälle. Die Prognose des Präsidenten lautete, das Jahr 1996 werde voraussichtlich mit insgesamt 14 000 unerledigten Verfahren enden – das ist die Summe der gesamten Rückstände –, und der Rückstand werde sich jährlich um 4 000 Fälle erhöhen, wenn – so der Zusatz – dagegen nichts unternommen werde.

Mit der vorliegenden Novelle wird etwas dagegen unternommen, und zwar wird genau dort angesetzt, wo die Ursache für die Dauerbelastung des Verwaltungsgerichtshofes zu suchen ist. 60 Prozent aller Beschwerden – das wurde hier schon gesagt, aber ich wiederhole es noch einmal – standen 1996 im Zusammenhang mit dem Asylrecht, 1993 waren es nur 40 Prozent von 8 320 Verfahren. – Das brachte eine rasante Steigerung der Belastung von Verwaltungsrichtern mit sich, vor allem konzentriert in einem Senat, und daher wäre eine Reform umso dringlicher. Zu der Reform gehört die Schaffung eines unabhängigen Bundesasylsenats, wobei die Änderung nur eine verfassungsrechtliche Absicherung einer einfachen Gesetzesbestimmung im Asylgesetz war, die schon die Einrichtung eines unabhängigen Bundesasylsensats festschrieb.

Zwei Punkte waren bei der Einrichtung des unabhängigen Bundesasylsenats zu berücksichtigen, nämlich die dringend nötige Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes und die Gewährleistung des Rechtsschutzes für Asylsuchende in vollem Umfang. Der Bundesasylsenat soll über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes des Innenministeriums als oberste Berufungsbehörde in Asylsachen entscheiden. Das ist eine gerichtsähnliche Einrichtung nach dem Muster der Unabhängigen Verwaltungsenate. Was bedeutet das für die Mitglieder dieses


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