Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 81. Sitzung / Seite 194

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Ich verstehe auch etwas anderes nicht. Wenn Sie, Herr Abgeordneter Khol, sagen, daß dies eine Gewissensentscheidung sei – ich möchte es nicht qualifizieren, ob es eine Gewissensentscheidung ist oder nicht; ich gehe von Ihrer These aus –, dann frage ich mich, ob Sie der Meinung sind, daß man sein Gewissen verstecken muß. Sie, auch Ihre Generalsekretärin und einige Ihrer Abgeordneten, haben sich öffentlich deklariert, daß Sie für die 0,5-Promille-Grenze eintreten werden, und nun gehen Sie an das Rednerpult und sagen, Sie und Ihre Generalsekretärin hätten eine Verpflichtung Ihrer Partei gegenüber, Ihrer Fraktion gegenüber.

Dabei interessieren mich drei Dinge.

Erstens: Sie haben vorhin gesagt, es gebe keine Parteilinie. Sie haben vorhin hier ausdrücklich gesagt, daß das jedem selbst überlassen bleibe. (Abg. Rosemarie Bauer: Eine Parteilinie gibt es auch nicht! – Abg. Dr. Khol: Das ist eine freie Abstimmung!) Daher frage ich mich: Welcher Linie, welcher Position fühlen Sie sich verpflichtet, wenn es eine freie Abstimmung ist? – Das ist ein Widerspruch in sich, Herr Abgeordneter Khol. (Abg. Rosemarie Bauer: Nein, das ist es nicht!) Bitte, wenigstens hören wird man doch noch können. Wenn Sie sagen, Sie hätten eine Verpflichtung der Fraktion gegenüber (Abg. Rosemarie Bauer: Richtig!) , dann frage ich mich: Welche Verpflichtung meinen Sie, wenn Sie Ihre freie Abstimmung nicht so durchführen können, wie Sie es vorher angekündigt haben? – Das ist die erste Frage. Ich halte das für in sich widersprüchlich. (Abg. Rosemarie Bauer: Na ja, das können Sie!)

Die zweite Frage ist folgende: Wenn Sie eine Verpflichtung Ihrer Partei gegenüber haben, von der Sie jetzt sagen, sie führt Sie zu einem anderen Abstimmungsverhalten, als Sie vorher angekündigt haben, ist diese Verpflichtung der Partei gegenüber nun unterschiedlich, je nachdem, ob Sie sie offen oder ob Sie sie geheim ausüben? Ist das Ihr christlich-soziales Verständnis, daß es jeweils anders ist, je nachdem, ob es offen oder geheim ist? (Abg. Dr. Khol: Weil alle unter Druck gesetzt werden! Es werden alle unter Druck gesetzt!)

Wir haben in den letzten Tagen schon viel von christlich-sozialem Verständnis gehört, aber das schlägt für mich dem Faß den Boden aus und wird nur mehr von folgendem übertroffen (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ und bei den Grünen): Es wird für mich davon übertroffen, daß Sie erst sagen, das sei eine Gewissensentscheidung, und dann – und das ist der dritte Punkt zu dieser Argumentation – sagen Sie, Sie hätten der Partei gegenüber eine Verpflichtung. Das heißt, die Partei steht höher als Ihr Gewissen. (Abg. Großruck: Entschuldigen Sie sich zuerst beim Bundespräsidenten!) Das, Herr Abgeordneter Khol, ist die perfekte Definition Ihres christlich-sozialen Verständnisses, das seit der Schüssel-Affäre offenkundig geworden ist. Das paßt nahtlos in dieses Bild. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ich sage Ihnen: Was Sie hier von sich geben, wobei Sie sich zum Schutzherrn irgendwelcher Abgeordneten aufspielen wollen, kann an Unglaubwürdigkeit nicht mehr überboten werden. Das sind die Momente, in denen ich mir denke, daß das Europäische Parlament offenkundig recht hat. Denn wenn ein Abgeordneter nicht mehr zu seinen Entscheidungen stehen möchte, dann bedeutet das die Aufgabe des Rückgrates. Dann verantwortet er seine Positionen den Bürgern gegenüber nicht mehr. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Im Europäischen Parlament gibt es daher nur zu Personalentscheidungen geheime Abstimmungen. Ich meine, wir sollten bei der Geschäftsordnung darüber nachdenken, ob wir nicht auch einen solchen Weg gehen sollten. (Beifall beim Liberalen Forum und den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Dr. Petrovic. – Bitte. (Abg. Rosemarie Bauer: Jetzt wird es spannend!)

22.15

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So merkwürdig die Debatte für alle diejenigen, die jetzt zuhören und nicht an den Präsidialberatungen teilgenommen haben, auch sein mag, ich betrachte diese ganze Entwicklung rund um diese scheinbar kleine Entscheidung doch irgendwie als das Zeichen eines in Bewegung geratenen Parlamentarismus. Und daß Bewegung oder Ent


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