Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 83. Sitzung / Seite 40

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eigene Prioritäten, eigene Initiativen, eigene Vorhaben in den Vordergrund zu stellen – das kann man auch –, aber das Wichtigste ist es, in einer schwierigen Zeit die Stimme Europas zu verkörpern, wirklich zu koordinieren und zu versuchen, die europäische Agenda weiterzuentwickeln und voranzubringen.

In diesem Bereich wird in der österreichischen Präsidentschaft vor allem die endgültige Umsetzung der Euro-Beschlüsse und der organisatorischen, institutionellen Feinabstimmung notwendig sein. Und glauben Sie mir: Ich halte die Einführung des Euro, einer stabilen, starken europäischen Währung, für das wahrscheinlich wichtigste Projekt überhaupt, das in den nächsten Jahren und Jahrzehnten den Standort Europa, aber auch den Standort Österreich und damit seine Arbeitsplätze absichern kann. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Unter österreichischem Vorsitz werden die letzten Entscheidungen für 1999 zu treffen sein, wobei das magische Jahr 1999 den Euro noch nicht sichtbar machen wird für den einzelnen Bürger, aber es wird das Projekt unumkehrbar machen, denn ab dem Jahr 1999 sind die Währungen, die daran teilnehmen, untrennbar miteinander verschränkt, ab diesem Zeitpunkt läuft das Projekt, ab diesem Zeitpunkt wird Europa den Standortvorteil einer Weltleitwährung für sich, für seine Betriebe, für seine Arbeitsplätze in Anspruch nehmen können, und ab diesem Zeitpunkt nehmen wir an diesem wichtigen Integrationsprojekt teil.

Das zweite ganz wesentliche Projekt, das uns unmittelbar betrifft, ist die Osterweiterung der Europäischen Union. Sie wissen, daß sich die Europäische Kommission gestern in einer ganztägigen Klausur mit der Frage der Bewertung der elf Kandidaten auseinandergesetzt hat und nächste Woche, am 16. Juli 1997, den umfassenden und umfangreichen Bericht der Öffentlichkeit, den Botschaftern, dem Europäischen Parlament und damit auch den Mitgliedstaaten präsentieren wird.

Das Interessante dabei ist, daß wir, ausgehend von einer unverrückbaren Obergrenze im Finanzrahmen von 1,27 Prozent Anteil am Bruttoinlandsprodukt, die nicht angehoben werden darf, sicherstellen können, daß je nach Berechnung zwischen 500 und 600 Milliarden Schilling für die neuen Mitgliedsländer im Zeitraum 1999 bis 2006 zur Verfügung stehen werden. Das ist eine Menge Geld, und ich glaube daher, daß die Union gut gerüstet ist, sich mit der Aufnahme neuer Mitgliedstaaten auseinanderzusetzen, ohne dabei zusätzliches Geld der Steuerzahler in den schon bestehenden Mitgliedsländern in Anspruch zu nehmen.

Ich halte diese erste Aussage der Kommission für ganz wichtig, weil sie auch die Akzeptanz der Bürger in den einzelnen Ländern erhöht, der Aufnahme neuer Mitglieder mit offenen Herzen zu begegnen und sie zu begrüßen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Angeblich hat die Kommission gestern zusätzlich ein klares positives Avis, eine positive Antwort zu fünf unserer Nachbarländer plus Zypern abgegeben. Nach Auffassung der Kommission würden also die Verhandlungen mit Tschechien, mit Polen, mit Ungarn, mit Estland und mit Slowenien ebenso wie mit Zypern unmittelbar beginnen können.

Ich sage ganz offen, wir Österreicher – und ich hoffe, daß wir da einen über die Parteigrenzen hinausreichenden Konsens haben – werden uns dennoch nicht für ein Gruppenmodell einsetzen, sondern ich möchte bei den kommenden Verhandlungen nach wie vor darauf drängen, daß wir die Startlinie, den Beginn der Verhandlungen mit allen Kandidaten forcieren, damit wir nicht in eine erste und zweite Klasse von Beitrittskandidaten einteilen. Es wird selbstverständlich so sein, daß sich die Verhandlungen dann automatisch differenzieren, aber es wäre falsch, würden wir schon zu Beginn der Verhandlungen einzelnen Ländern mitteilen: Freunde, ihr seid nicht willkommen! Das würde zu einer unheimlichen Demotivierung führen, es würde vielleicht sogar zu einer Destabilisierung im politischen oder im wirtschaftlichen Bereich oder zu einer Entmutigung hinsichtlich der Vorantreibung des notwendigen Reformprozesses führen.

Ich möchte daher in den kommenden Monaten nach wie vor das Startlinienmodell, den Beginn der Verhandlungen mit allen, forcieren und dann einer Differenzierung in schnellere und langsamere Beitrittsverhandlungen das Wort reden.


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