Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 83. Sitzung / Seite 41

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Meine Damen und Herren! So viel zum Thema EU. – Ein ganz wesentliches Thema in diesen Tagen ist aber natürlich die Frage der Sicherheitspolitik. Vorgestern ist der Gipfel in Madrid zu Ende gegangen, und dieser Madrider Gipfel hat uns abermals klar vor Augen geführt, daß in diesen Tagen und Wochen eine neue NATO vor unseren Augen entsteht oder schon entstanden ist.

Österreich hat in seiner gemeinsamen Erklärung bei einem Gipfeltreffen der Teilnehmerstaaten am Euroatlantischen Partnerschaftsrat unterstrichen, daß die Entscheidung der Allianz, neue Mitglieder aufzunehmen, für den Prozeß der Gestaltung einer neuen NATO beispielhaft ist, umso mehr, als diesem Beschluß ja ein Founding Act mit Rußland und eine Charta mit der Ukraine vorangegangen sind. Ich halte es für sehr wichtig, daß man vorher die Frage mit Rußland und mit der Ukraine außer Streit gestellt und dann die Einladung an drei neue Mitglieder beschlossen hat.

Besonders bedeutsam ist, daß sich die NATO ausdrücklich dazu bekannt hat, ihre Türen für weitere Mitglieder offenzuhalten. Der Bundeskanzler hat diesbezüglich in Madrid von einem signifikanten Signal an alle Staaten gesprochen und betont, daß wir diese Entscheidung als eine Einladung an alle europäischen Länder verstehen, ihre Zusammenarbeit mit der Allianz in dem von ihnen gewünschten Ausmaß weiterzuentwickeln. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich meine, daß wir mit dieser Feststellung auch innerösterreichisch eine wichtige Markierung gesetzt haben. Nach dem Europäischen Rat von Amsterdam hat jetzt auch der Gipfel in Madrid gezeigt, daß die neue NATO der Angelpunkt der europäischen Sicherheitsarchitektur ist, weil diese neue NATO einem umfassenden Sicherheitsbegriff verpflichtet ist. Sie will eben nicht nur das militärische Risiko sehen, das vielleicht gar nicht so groß ist in kommender Zeit, aber die wahren Risken im Terrorismus, in der Migration, in der Weitergabe von Nuklearmaterial, in der organisierten Kriminalität, ungelöste Minderheitenfragen und die Gesamtaspekte der Zusammenarbeit von Wirtschaft, Umwelt und Wissenschaft sind es, die diesen umfassenden Sicherheitsbegriff absolut wichtig und notwendig machen.

Es ist eine neue NATO, die nicht gegen jemanden gerichtet ist, sondern im Zusammenwirken mit der UNO, der Europäischen Union, der WEU und der OSZE für eine umfassende europäische Sicherheitsordnung eintritt, eine neue NATO, die nicht aufrüstet, sondern im Gegenteil die Budgets weltweit abgesenkt, verringert hat und gerade in Wien konkrete Verhandlungen zur Abrüstung von schweren Waffen, vor allem aber zur einseitigen Abrüstung von Nuklearwaffen in den Gebieten der neuen Mitglieder führt, und eine neue NATO, die eben keine neuen Trennlinien, sondern neue, funktionsfähige gesamteuropäische Instrumente und Strukturen mit Rußland, der Ukraine und sicherlich auch mit den baltischen Staaten schafft.

Präsident Clinton hat wirklich sehr gut beschrieben, worum es jetzt geht. "To do for Europe’s East, what we did for Europe’s West: defend freedom, strengthen democracy, temper old rivalries, hasten integration, provide a stable climate in which prosperity can grow." – Besser kann man, glaube ich, nicht ausdrücken, wofür diese neue NATO steht.

Madrid hat gezeigt, daß die wichtigsten Entscheidungen in der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik weiterhin im Kreis der NATO-Vollmitglieder fallen werden, und es ist wichtig, zu wissen, daß die NATO die Erweiterung in Madrid als kontinuierlichen Prozeß definiert hat.

Die Verhandlungen mit Tschechien, Polen und Ungarn sollen bis Ende 1997 abgeschlossen werden. Ihr Beitritt ist für April 1999 aus Anlaß des 50jährigen Jubiläums der Gründung der Allianz in Washington geplant.

Erlauben Sie ein offenes Wort aus österreichischer Sicht zu diesen drei neu eingeladenen Mitgliedern. Wir wissen, was in der Geschichte dieser drei Länder die Jahreszahlen 1956 für Ungarn, 1968 für die Tschechische Republik, 1981 – Kriegsrecht – für Polen bedeuten. Ich möchte an dieser Stelle – ich hoffe, auch in Ihrem Namen – nachhaltig und aus offenem Herzen diese Einladung, diesen wahrhaft historischen Schritt für diese drei uns befreundeten Länder begrüßen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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