Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 83. Sitzung / Seite 62

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Aber es gibt noch einen anderen Bereich, den zu beachten und einzuhalten Sie den Österreicherinnen und Österreichern sowohl bei der Volksabstimmung als auch immer wieder im Zuge der Verhandlungen versprochen haben, das ist der Bereich der Neutralität. Sie haben gesagt, wir werden neutral in die Europäische Union gehen. (Abg. Dr. Khol: Stimmt!) Sie haben gesagt, wir werden unsere Neutralität erhalten. – Und was haben Sie damit gemacht?

Beginnen wir bei den Ereignissen der letzten eineinhalb Jahre. Österreich ist zum Beispiel der "Partnerschaft für den Frieden" beigetreten. – Ein Schritt, der nie dem Parlament vorgelegt und nie im Parlament diskutiert wurde.

Österreich hat Beobachterstatus bei der WEU. – Ebenfalls ein Schritt, der nie im Parlament diskutiert, der nie dem Parlament zur Entscheidung vorgelegt wurde. (Abg. Dr. Lukesch: Sie haben das nicht gemerkt!)

Die Liste, was in den letzten eineinhalb Jahren an De-facto-Angleichung an einen Status, den wir nicht haben, nämlich an den einer Vollmitgliedschaft bei einem Militärbündnis, geschehen ist, läßt sich unendlich lang fortsetzen. (Abg. Tichy-Schreder: Die Schweiz ist auch der "Partnerschaft für den Frieden" der NATO beigetreten! Was sagen Sie dazu?)

Herr Minister! Aber das erreichte seinen Gipfel durch Ihre eigenen Äußerungen und durch Ihre eigenen Darstellungen im Ausland. Im Inland scheinen Sie sich noch immer hie und da vage an ein Wahlversprechen erinnern zu können, aber im Ausland sagen Sie doch glatt vor einer Reihe von lachenden Kommentatoren, die Neutralität hätten wir immer "dynamisch interpretiert". (Abg. Tichy-Schreder: Wir haben das immer dynamisch gesehen! Alle österreichischen Regierungen hatten die Neutralität dynamisch gesehen!) Ihre Vorgangsweise läßt diese Sichtweise vermutlich zu.

Aber das ist noch nicht genug – meine Vorrednerin ist schon darauf eingegangen –: Sie reisen noch dazu zu einem NATO-Treffen, um dort den Wunsch vorzubringen, man möge doch Österreich einladen, in Gespräche, in Verhandlungen über den Beitritt Österreichs zur NATO zu treten.

Herr Minister! Sie haben mit diesen beiden Vorgangsweisen Österreich in eine so peinliche und blamable Situation gebracht, daß die Kommentare auch in den ausländischen Medien entsprechend waren. (Abg. Tichy-Schreder: Ihre Ausführungen hier werden peinlich gesehen!) Im Ausland weiß man sehr wohl, daß Österreich neutral ist und eine neutrale Position einnimmt. Im Ausland weiß man sehr wohl, daß Sie nicht ohne weiteres Einladungen anläßlich irgendwelcher Gipfel aussprechen können. Im Ausland weiß man sehr wohl, daß es einer innenpolitischen Debatte und einer innenpolitischen Entscheidung bedarf, bevor Sie im Ausland von einer "dynamischen Interpretation" der Neutralität sprechen und verlauten lassen, daß Sie eingeladen werden möchten. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Tichy-Schreder: Im Ausland weiß man das wesentlich besser, als Sie das hier darstellen!)

In den letzten Tagen konnten wir wieder einmal erleben, welche Haltung Sie einnehmen. Es ist kein Zufall, daß Sie sich, wenn Sie von Außenpolitik sprechen, immer auf die Europäische Union und auf die NATO konzentrieren. Sie können ja nichts anderes in der Außenpolitik, als sich unter den großen Schirm bestehender Gemeinschaften zu begeben und dort still zu warten, was weiter passiert. Sie setzen keine eigenen Aktivitäten, keine eigenen Initiativen und unternehmen nichts!

Es überrascht uns überhaupt nicht, daß Sie begeistert aufgegriffen haben, was Präsident Clinton in den letzten Tagen gesagt hat, was er uns rät, was er uns nicht rät und was wir jetzt tun sollen. Ich frage mich aber schon: Wer hat Präsident Clinton denn davon informiert, daß es in Österreich ein – wortwörtlich – neues Interesse gibt, der NATO beizutreten? Wer hat ihn davon informiert? Wer hat überhaupt die Möglichkeit, mit Präsident Clinton in der Art und Weise zu reden, daß er darauf kommen kann, daß es in Österreich ein neues Interesse gibt – wörtliches Zitat –, der NATO beizutreten? (Ruf bei der ÖVP: Wie der amerikanische Präsident reagiert, ist seine Sache! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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