Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 83. Sitzung / Seite 63

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Herr Minister! Das ist wieder einmal ein Faktum, das beweist, daß Sie Ihre politische Linie verlassen haben, nach der Sie dem Volk versprochen haben, zu respektieren, daß wir neutral sind, nichts zu unternehmen, was diese Frage beeinträchtigt oder schmälert, nichts zu unternehmen, bevor es nicht zu einer Volksabstimmung kommt, so wie es Ihr Vorgänger versprochen hat. (Abg. Tichy-Schreder: Nichts zu tun, ist offensichtlich das beste!)

Aber es ist klar: Sie haben offensichtlich in der Regierung einen Kurs eingeschlagen, bei dem Sie sich, wie man so schön sagt, ohne Scheuklappen dieser Debatte nähern wollen. Wenn ich Ihren Aussagen und den der Bundesregierung folge, so habe ich den Eindruck, daß es nicht nur ein Kurs ohne Scheuklappen, sondern ein Schlingerkurs sein wird, denn einmal bitten Sie darum, daß wir eingeladen werden, einmal treten Sie auf und sagen, Präsident Clinton sage jetzt schon, die Tür sei offen für uns, aber am nächsten Tag können wir in den Zeitungen lesen, der NATO-Beitritt sei jetzt gar keine Frage, sei nicht von Aktualität.

Herr Außenminister! Das läßt aufhorchen! Das läßt deshalb aufhorchen, weil das genau in jener Woche passiert, in der Ihre Position zutiefst in Frage gestellt wird. Man merkt, daß sich der Koalitionspartner ruhig und still verhält. In dieser Woche kommt die Meldung, über den NATO-Beitritt gebe es keine Debatte, das sei keine Frage, die wir in diesem Jahr entscheiden wollen. Natürlich fragen sich da viele: Ist das der Preis für die Koalition? Ist das der Preis dafür, daß der Koalitionspartner Ihre Position als Außenminister auch weiterhin stützen wird? (Abg. Dkfm. Holger Bauer: So ist es!) Nicht anders kann man den Schlingerkurs, den Sie in dieser Frage in den letzten Wochen und Monaten vollführt haben, interpretieren. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Khol: Das sind Ihre Phantastereien, sonst nichts, Frau Kollegin! Das sind Ihre Hirnphantastereien, Ihre Hirnwinde!)

Sie bringen es selbst auf den Punkt, wenn Sie in Ihrem Bericht sagen und glücklich berichten, wir seien nun eingeladen worden, ein Büro bei der NATO zu eröffnen, und wir haben beschlossen, diese Einladung anzunehmen. (Ruf bei der ÖVP: Die Botschaft!) Ich weiß, daß das auf Botschafterebene geschehen ist, und ich weiß, daß es dabei um diplomatische Beziehungen geht, aber ich bin der Meinung, daß das eine Entscheidung ist, die dem Parlament vorgetragen werden sollte, weil sie nämlich die österreichische Verfassung tangiert, weil sie nämlich ein weiterer Schritt der De-facto-Annäherung an einen Status der Vollmitgliedschaft ist. Sie haben ja in vielen Bereichen der Landesverteidigung diesen Schritt bereits vollzogen.

Zurückkommend auf den Außenpolitischen Bericht: Wenn Sie von der europäischen Sicherheitspolitik reden, dann reden Sie von der NATO, der WEU und der EU. (Ruf bei der ÖVP: Wovon sonst?) Sie sprechen in Ihrem Außenpolitischen Bericht ausschließlich von diesen Militärbündnissen. (Abg. Dr. Lukesch: Den Warschauer Pakt gibt es nicht mehr!) Sie gehen sogar so weit, daß Sie sagen, daß man nur dann die europäische Sicherheitspolitik mitgestalten kann, wenn man in diesen Bündnissen gleichberechtigt vertreten ist. Das sind Ihre Worte im Außenpolitischen Bericht! Sie sind aber nach wie vor ein Minister, der auf die österreichische Verfassung vereidigt und diese einzuhalten verpflichtet ist, schreiben aber selbst, daß das die Bedingung ist, um europäische Außenpolitik zu gestalten. (Beifall bei den Grünen.)

Es gibt in diesem ganzen Außenpolitischen Bericht kein Wort über die Einschätzung der europäischen Sicherheitspolitik, es gibt kein Wort darüber, wie die zukünftige europäische Landkarte ausschaut, es gibt kein Wort darüber, wie sich die Situation verändert seit 1989 hat. Lesen Sie ausländische Zeitungen, lesen Sie Kommentare dazu, dann werden Sie erfahren, daß alle die Meinung vertreten, daß die Gefahr, die von der Sowjetunion ausgegangen ist, von Rußland nicht mehr ausgeht! (Abg. Tichy-Schreder: Doch, Frau Kollegin! Lernen Sie Geschichte!) Es gibt zwar heute regionale Krisen und Konflikte, diese können aber nicht mit einem NATO-Einsatz beantwortet werden. (Abg. Schwarzenberger: Vertreten Sie die Sowjetunion?) Es wäre waghalsig und wahnsinnig, diese mit einem NATO-Einsatz zu beantworten.

Wenn Sie eine Analyse gemacht hätten, dann hätten Sie festgestellt, daß es wirtschaftliche, soziale und politische Probleme sind, vor denen Europa steht. (Ruf bei der ÖVP: Nein, Probleme der Sicherheit! Träumer!) Mit einer NATO-Osterweiterung wird eine neue Trennlinie in Europa gezogen, mit welcher Unsicherheiten geschaffen, ja provoziert werden. Aber was machen


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