Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 83. Sitzung / Seite 119

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Herr Khol! Ich weiß nicht, wie Sie und Ihre Partei das aushalten werden, daß in Zukunft jeder Journalist, jede Zeitung schreiben kann, daß es der Vizekanzler aushält, daß man ihn "Lügner" schimpft. Meine Damen und Herren! Das ist die Frage, die hier zu beantworten ist, und damit verbunden ist natürlich das gesamte Problem der österreichischen Außenpolitik. Waldheim hat gemeint: "Jetzt erst recht!" – gemeinsam mit der christdemokratischen Volkspartei, gemeinsam mit vielen Wählerinnen und Wählern dieses Landes, mit der Mehrheit. – Aber was war damals der Preis, meine Damen und Herren, und was ist heute der Preis?

Herr Vizekanzler Schüssel! Sie sitzen hier und sagen: Das halte ich aus. – Meine Damen und Herren! Herr Maitz! Liebe christdemokratischen Kolleginnen und Kollegen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich will nicht, daß in einer österreichischen Bundesregierung jemand sitzt, der meint, er hält das alles aus. (Abg. Dr. Höchtl: Wir halten sogar sehr viel aus!)

Herr Vizekanzler! Ich habe nur eine ganz bescheidene Bitte: Entziehen Sie sich nicht einem Klärungsprozeß! Herr Kukacka! Es geht nicht um den Hohepriester, ich bin nur ein ganz gewöhnlicher Volksvertreter, der schon relativ lang, vielleicht schon zu lang in diesem Hause sitzt. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. )

Wissen Sie, warum ich meine, daß ich vielleicht schon zu lange in diesem Haus sitze? – Weil ich mich manchmal auch schon an das Ungeheuerliche zu gewöhnen scheine, das täglich in diesem Haus passiert. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum. – Abg. Schwarzenberger: Selbsterkenntnis ist der beste Weg zur Besserung! – Abg. Mag. Mühlbachler: Erinnern Sie sich noch daran, daß in den Anfängen die Rotation versprochen wurde, laufende Rotation?!)

Herr Vizekanzler! Sie hätten als Christdemokrat aus dieser Situation herauskommen können, aber Sie haben Steine aufgehoben – das ist auch bei der Lieblingslektüre des Herrn Khol nachlesbar. Ich wiederhole: Sie haben Steine aufgehoben. Sie haben nicht gesagt: Ja, ich habe mich über diesen Banker geärgert, der mit seiner Politik viele Menschen in Bedrängnis bringt, der mit seiner Politik wirtschaftspolitische Zielrichtungen anstrebt, die völlig falsch und gegen meine Linie sind, und ich war beim Frühstück wütend und habe jemanden beschimpft. Die Journalisten verfolgen mich offensichtlich schon in bezug auf alle Fragen und auch in allen Lebenslagen, und das nächste Mal muß ich aufpassen, ob ich auf der Toilette noch schimpfen darf. – Das wäre kein Problem gewesen, Herr Vizekanzler! Die Frage ist, wieweit Sie sich in diesem Lügensystem verstricken. Da frage ich mich: Halten Sie das aus?

Herr Vizekanzler! Sie halten es aus! Ich kann Sie heute wahrscheinlich alles schimpfen, Sie werden das alles aushalten. Sie werden sagen, der Herr Wabl war unvorsichtig, der Herr Wabl war entnervt, der Herr Wabl hat sich wieder einmal gehen lassen, wieder einmal hat er nicht gewußt, was der Würde dieses Hauses entspricht. (Abg. Dr. Maitz: Scheinheiligkeit! Scheinheiligkeit!) – Herr Abgeordneter Maitz! Ihre Partei wird von einem Parteiobmann angeführt, der die Grenzen überschritten hat. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum. – Abg. Großruck: Als Außenminister muß er Grenzen überschreiten!)

Das wird durch Wahlen korrigiert werden. Aber wie kann korrigiert werden, daß es in diesem Land keine Klärung mehr gibt, weil viele Politiker und Politikerinnen – Herr Khol, Sie gehören auch dazu – der Meinung sind, man muß bestimmte Dinge nicht mehr abklären. Das ist in der Kurdenfrage so, und das ist auch in dieser Causa so. Das ist das Dramatische an dieser Sache, und das war auch damals bei Herrn Waldheim das Dramatische. (Zwischenruf des Abg. Dr. Maitz. )

Ich glaube, dieser Satz von Herrn Richard Picker, der hier zitiert wurde: Die Wahrheit, wäre sie auch Verbrechen, ist not für dieses Haus! (Abg. Dr. Maitz: Welchen Finger zeigen Sie uns heute?), gilt, glaube ich, auch für Sie, Herr Schüssel, denn sonst haben Sie Ihre Würde verloren. – Ob dieses Haus die Würde behält, hängt von uns allen ab. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Herr Wabl! Sie waren der einzige, der die Hakenkreuzfahne hier in diesem Saal aufgehängt hat!)

16.20


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