Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 84. Sitzung / Seite 218

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22.30

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Klubobmann Dr. Khol, Sie haben einen Antrag des Liberalen Forums zur Änderung des Meldegesetzes zum Anlaß für eine Rede genommen, die ich, obwohl ich Sie als Abgeordnetenkollegen schätze und auch als römisch-katholischen Österreicher bis jetzt immer geschätzt habe, als ein Musterbeispiel für intolerantes Verhalten, für eine geradezu von Eifer besessene Abqualifizierung des Debattenbeitrags von Herrn Dr. Kier bezeichnen würde.

Ich schicke voraus, daß ich weder Abgeordnete des Liberalen Forums, noch von Antiklerikalismus oder irgend etwas ähnlichem, das Sie befürchten könnten, beeinflußt bin. Ich gehöre der gleichen Religion wie Sie an und bin eine römisch-katholische Österreicherin, eine römisch-katholische Kroatin. (Abg. Dr. Ofner: Ist eine Kroatin keine Österreicherin? Das ist kein Gegensatz!) Lieber Herr Dr. Khol! Ist es so, daß diejenigen, die sozusagen der Hauptreligion dieses Staates angehören, sich hier anmaßen dürfen, uns zu erklären, daß Ihre Werte die richtigen sind, wie Sie das so salopp nebenbei in der Erwiderung auf einen Diskussionsbeitrag von Kollegen Kier, in dem es um das Meldegesetz und ein Anliegen von großer Tragweite gegangen ist, das ich für absolut diskussionswürdig halte, getan haben?.

Herr Dr. Khol! Ich bin ebenso wie Sie der Auffassung, daß Jugendarbeit, Denkmalpflege – der Beitrag zum Denkmalschutz, den die Kirche leistet –, Alten- und Behindertenpflege unentbehrlich sind und daß dann, wenn es all das nicht gäbe, was die Caritas in Österreich insgesamt im Sozialwesen leistet, der Sozialstaat in dieser Republik in einem großen Bereich augenblicklich zusammenbrechen würde. (Abg. Dr. Puttinger: Das wurde ja erklärt!) Dagegen, daß das aus Mitteln des sogenannten Kirchenbeitrages finanziert wird, hat niemand etwas einzuwenden, bestimmt auch nicht Herr Dr. Kier. (Abg. Dr. Kier: Ganz sicher!)

Ich bin auch nicht gegen Werte, wie Sie es jetzt genannt haben. Daß Kirchen und Religionsgemeinschaften wesentliche Wertespender in unserer Gesellschaft sind: In dieser Hinsicht wird Ihnen niemand widersprechen. (Abg. Dr. Khol: Nur die Liberalen widersprechen ja immer!) Aber es geht darum, daß man in einem Land, in dem Staat und Kirche angeblich strikt getrennt sind, gezwungen wird, auf dem Meldezettel sein Religionsbekenntnis anzugeben. (Abg. Dr. Puttinger: Den Zusammenhang hat er Ihnen ja erklärt!) Das betrifft nicht nur das römisch-katholische, sondern es gibt auch noch andere, die Sie – bewußt oder unbewußt – nicht erwähnt haben.

Es gibt nicht nur Mitbürger und Mitbürgerinnen in unserem Land, die römisch-katholisch oder evangelisch sind, so wie es nicht nur die Caritas und die evangelische Diakonie gibt, die Sozialarbeit leisten. Es gibt auch Mitbürger und Mitbürgerinnen, die islamischen oder mosaischen Glaubens sind, es gibt Mitbürger und Mitbürgerinnen von mindestens acht weiteren staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften. (Abg. Schwarzenberger: Die dürfen ja auch ihr Bekenntnis haben! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das Prinzip, daß man das Religionsbekenntnis auf dem Meldezettel angeben muß, gilt für alle.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Diskussion um Lauschangriff und Rasterfahndung hat genau diese Tatsache eine wesentliche Rolle gespielt, als man uns glauben machen wollte – und immer noch will –, daß es kein Weitergeben sensibler Daten gebe. Ich bin bereit, Ihnen zu glauben, daß es nicht allzu sensibel ist, in Österreich römisch-katholisch oder vielleicht auch noch evangelisch zu sein. Aber es ist schon ein Stück sensibler, nicht einer der beiden großen Religionen anzugehören, und es ist für viele kein allzu angenehmer Gedanke, zu wissen, daß sie zu so etwas gezwungen werden.

Das hat jetzt nichts mit dem Kirchenbeitrag zu tun, sondern ist eine Diskussion, die sich allgemein auf die Tatsache bezieht, daß es diesen Zwang und diese Nötigung mit einer Strafsanktion gibt. Das ist ein Thema für alle Religionsgesellschaften und Religionsgemeinschaften. Darauf bezieht sich das Anliegen von Herrn Dr. Kier, und dieses Anliegen kann ich absolut unterstützen, fern dem Verdacht, antiklerikal sein zu wollen.

Wenn Herr Dr. Kier einen Schritt weitergeht und auf völkerrechtliche Verpflichtungen verweist, die dem entgegenstehen, dann ist es – auch im Sinne der von Ihnen gepredigten Werte für das


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