Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 85. Sitzung / Seite 36

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Grundsatzerklärung, in der der Herr Bundeskanzler sein kulturpolitisches Selbstverständnis darlegen und seine Schwerpunkte definieren könnte.

Ich bin davon überzeugt, daß diese Vorgangsweise beim kulturbegeisterten Publikum, in erster Linie aber bei unseren Kulturschaffenden großen Anklang finden würde. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich frage den Herrn Bundeskanzler in seiner Abwesenheit: Warum war er noch nie Studiogast in der ORF-Kultursendung "Treffpunkt Kultur"? Warum gab er noch keiner Zeitung ein ausführliches kulturpolitisches Interview? – Die Tätigkeit als "Kunstkanzler" beschränkte sich bisher nur auf Eröffnungsreden großer Sommerfestspiele und auf zum Beispiel für ihn wichtige Personalentscheidungen. – Ein bißchen unbefriedigend, nachdem er zu Beginn der Tätigkeit als "Kunstkanzler" nicht müde wurde, zu betonen, welch großartige Aufwertung dieses Ressort durch die Verlegung ins Bundeskanzleramt erfahren würde. All diese Ankündigungen erwiesen sich – das muß ich heute feststellen – nach 200 Tagen als Luftblasen.

Oder hat der Herr Bundeskanzler keine Zeit für eine ordentliche Kulturpolitik? Denn selbst die Parteikollegin und frühere Kunstministerin Hilde Hawlicek sagte in einem Zeitungsinterview, daß es schon allein aus zeittechnischen Gründen unmöglich sei, daß sich der Bundeskanzler mit den vielschichtigen Problemen der Kunst- und Kulturszene vertraut macht.

Meine Damen und Herren! Gerade die oft angefeindeten Künstler und Künstlerinnen brauchen eine starke Stimme, die sich, wie zum Beispiel beim Angriff auf H. C. Artmann, schützend vor sie stellt, und sie brauchen auch einen im Ministerrat stimmberechtigten Minister, einen Minister, der dem in Österreich lebenden kreativen Potential jene Rahmenbedingungen bietet und ausbaut, die die Kunst- und Kulturschaffenden dieses Landes brauchen.

Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Zu den Widersprüchlichkeiten in Sachen Kultur muß leider festgestellt werden, daß sie nicht zielführend sind, denn wenn man sich die verschiedenen Zeitungsinterviews anschaut, die in den letzten Monaten von Ihnen, Herr Staatssekretär, und dem zuständigen Sektionsleiter gegeben wurden, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß eine Hand nicht weiß, was die andere tut.

Der Herr Staatssekretär fördert großzügig ein von vielen Seiten kritisiertes Projekt. Ich glaube, da brauche ich nur Francesca Habsburg zu sagen. Und der "Kunstkanzler" weiß nicht einmal, worum es sich handelt. Oder der Staatssekretär macht Aussagen, die von seinem Sektionsleiter mit Floskeln wie: "So hat er es nicht gemeint", oder: "Da ist der Staatssekretär falsch interpretiert worden" postwendend uminterpretiert werden.

Der Appell an den Herrn Bundeskanzler lautet, er soll doch endlich zugeben, daß sein Versuch, die Kunstangelegenheiten zur Chefsache zu machen, kläglich gescheitert ist. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ich kritisiere damit nicht die handelnden Personen, sondern die entwickelte Konstruktion. Wir Liberalen haben schon Anfang 1996 die Zusammenlegung der Ressorts Wissenschaft, Forschung, Verkehr und Kunst schärfstens kritisiert, da diese Konstruktion keinerlei Sinn ergab. Diese Fehler wurden damals nicht zugegeben, aber immerhin wollte man mit der heurigen Regierungsumbildung diesen Fehler doch noch wettmachen, allerdings mit der Folgewirkung, daß alles noch viel schlimmer wurde. Ich beneide niemanden, der im Rahmen einer solch unglücklichen Konstruktion arbeiten muß, und ich bin auch überzeugt davon, daß unter diesen Bedingungen kein sinnvolles Arbeiten möglich ist.

Die Ergebnisse, die der Herr Bundeskanzler und der Herr Staatssekretär bisher vorweisen können, sind teilweise zu begrüßen. Ich erinnere zum Beispiel an die Novelle des Filmförderungsgesetzes. Allerdings möchte ich betonen, daß diese Ergebnisse im großen und ganzen auf die Arbeit des Vorgängers Rudolf Scholten zurückzuführen sind. Jetzt werden nur Dinge erledigt oder sind erledigt worden, die der vorhergehende Kunstminister noch vorbereitet hat, oder Sie mußten sich eines Themas annehmen, weil der parlamentarische Kulturausschuß auf vorhandene Probleme aufmerksam gemacht hat und sie deshalb in der Öffentlichkeit diskutiert wurden.


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