Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 85. Sitzung / Seite 44

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Ich zitiere kurz aus dem Programmentwurf der Grünen zur Kulturpolitik: Die Politik hat sich des Urteils darüber, was Kunst und was nicht Kunst ist, zu enthalten. Die Entscheidung darüber, was Kunst ist, wird von den KünstlerInnen bestimmt. Dem Kunstdiskurs, an dem sich KünstlerInnen, KritikerInnen, das Publikum beteiligen, obliegt die Bewertung. PolitikerInnen können an diesem Diskurs teilnehmen. Sie haben jedoch keinen privilegierten TeilnehmerInnen-Status und keine privilegierte Definitionsmacht darüber, was Kunst ist oder nicht ist.

Die Finanzierung des zeitgenössischen künstlerischen Schaffens, das durch die Verklärung von Heimat und Tradition einerseits und durch kulturstürmerische Tendenzen andererseits immer wieder gefährdet ist, ist den Grünen ein wichtiges Anliegen, und insbesondere wollen die Grünen explizit gesellschaftskritische und widerständische Kunst finanzieren.

Was gesellschaftskritisch oder widerständisch ist oder was sich im Laufe der Entwicklung so herausstellt, das ist oft von Beginn an nicht absehbar, das ist auch für viele von uns nicht beurteilbar. Es gibt oft Pflänzchen, die sich dann anders entwickeln. Es kann sich so verhalten, wie im Lichte des aktuellen Diskurses Julian Schutting schreibt, daß oftmals, wenn in Gärten Pflanzen gegossen werden, sich viele schöne Überraschungen herausstellen, daß das scheinbar unnütz Mitgegossene ins Stattliche heranwächst, oftmals zur Enttäuschung des Kaisers von China oder Japan, der sich vielleicht anderes erwartet hat, was da wachsen könnte.

Herr Staatssekretär! Sie haben in vielem die Diktion der FPÖ aufgegriffen. Sie haben, wie ich meine, sehr bewußt dieses nur zur Denunzierung geeignete Bild der Gießkanne aufgegriffen. Sie haben von "Staatskünstlerinnen" und "Staatskünstlern" gesprochen, und zwar in Ihren Worten, und Sie haben zu einer Zeit, in der es um die massive soziale und finanzielle Bedrohung vor allem des alternativen und widerständischen Kunst- und Kulturbetriebs geht, eine Diskussion um Stiftungen und Ausgliederungen vom Zaun gebrochen, bei der es Ihnen – so sage ich – nicht um die Frage geht, wie man etwas am besten und am praktikabelsten managen kann, sondern bei der es um Drosselungen und Kürzungen geht. Man geht ganz bewußt vom Bild der Gießkanne und vom bewässerten Garten weg, offenbar um in Zukunft in Richtung einiger weniger gut bewässerter Oasen inmitten einer Wüste oder Steppe zu gehen, wo es schon vorkommen kann, daß Pflanzen und Pflänzchen vertrocknen.

Die Künstlerinnen und Künstler haben sich mit dieser SPÖ-Linie auseinanderzusetzen. Und das ist die Linie der SPÖ, denn eine Regierungspartei ist nicht nach dem Schattenboxen und nach der verbalen Spiegelfechterei des Kultursprechers im Parlament zu beurteilen, sondern nach ihrer Regierungspolitik. Diese Politik steht auf dem Prüfstand, nicht die verbalen Turnübungen des Kultursprechers! (Beifall bei den Grünen.)

Künstlerinnen und Künstler haben in einem Pressetext dazu festgehalten: Kulturpolitik wird in Österreich als Kulturkampf an den Stammtischen betrieben, weniger als konzeptuelle Arbeit von ExpertInnen. Wenn es Strategien zur Kulturpolitik gibt, dann sind diese geheim oder unbewußt. – Später heißt es dann in diesem Text: Die heimliche Kulturpolitik gedeiht so prächtig, daß sie den Schutz der Heimlichkeit verläßt. Es beginnen unheimliche Zeiten.

Ich möchte noch viel weiter gehen: Ich bin sicher, daß das keine geheime und vor allem keine unbewußte Politik, sondern Strategie ist. Das ist die Strategie des Machterhalts. Wir haben das – ich habe es vorhin dargestellt – in vielen anderen Bereichen auch schon erlebt: bei der Polarisierung der Geschlechter, bei der Polarisierung von InländerInnen und AusländerInnen. Zurzeit geht es um eine Polarisierung von Alten und Jungen, jene, welche – unter Anführungszeichen – "auf unsere Kosten" studieren, und jetzt wird diese janusköpfige Politik, die offensichtlich Methode hat, auch auf den Kunst- und Kulturbetrieb ausgedehnt.

Warum sage ich, daß diese Politik Methode hat? – Es liegt ja auf der Hand: Die SPÖ kann sich ihres Koalitionspartners nicht mehr sicher sein, er ist gemäß Umfragen zu unbedeutend geworden, er zerbröselt. (Abg. Dr. Maitz: Das hätten Sie gern! – Abg. Schwarzenberger: Das trifft viel stärker auf die Grünen zu!) Vielleicht muß man sich bald schon nach einem anderen Koalitionspartner umsehen, und dort könnte die Kunst- und Kulturpolitik ein Stolperstein sein. Und darum heißt es: Gebt sie doch an eine unpolitische, unparteiliche Stiftung ab, entfernt sie aus der Liste


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