Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 85. Sitzung / Seite 45

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der Gründe, aus denen vielleicht einmal ein anderes Koalitionsabkommen verhindert werden könnte!

Ich denke auch an die Hauptklientel, auf die sich die sozialdemokratische Aufmerksamkeit vor Wahlen immer stärker konzentriert: die Pensionistinnen und Pensionisten, die man auch in die Polarisierung getrieben hat. In Anbetracht dieser Wählergruppe kann es ja auch nur nützlich sein, wenn man gerade diese widerständische und nicht mehrheitsfähige Kunst und Kultur herausgibt, wenn der Strahlekanzler mit diesen Dingen nicht belastet ist, wenn er nicht Partei ergreifen und Stellung nehmen muß. Fort damit! Das wäre ein Stolperstein weniger bei der zahlenmäßig wichtigsten Klientel.

Letztlich die Medien: Es wären doch sehr viel Ballast und Widrigkeiten aus dem Weg geräumt, wenn man die auflagenstärksten Zeitungen auf diese Weise ruhigstellt. Der Chef delegiert die Chefsache weg, katapultiert sie hinaus! – Das ist Strategie, das ist Methode, das ist nicht unbewußt. Eine solche aalglatte, stromlinienförmige, mehrheitsfähige Politik zielt darauf ab, vor allem in bestimmten Medien, die eine höhere Auflage haben als der "Falter" oder andere Zeitungen, Akzeptanz zu erreichen.

Das hat sehr wohl Methode, das strebt man so an, weil man ganz genau weiß, was geschieht, wenn man die Kunst- und Kulturpolitik und den Kunst- und Kulturbegriff den Stammtischen überläßt. Es ist klar, was dann passiert!

Es hat auch Methode, ist kein Lapsus und keine mangelnde Information des Kanzlers, wenn er sich in unqualifizierter Art und Weise mit dem bereits vielfach zitierten Staatswappen von Hermine Spann auseinandersetzt. Es war dem Kanzler sehr wohl bewußt, worum es geht, es war auch dem Staatssekretär bewußt, aber man will das denunzieren, so wie man vorher schon bei der experimentellen Arbeitsmarktpolitik mit derselben Strategie verfahren ist: Man hat sich einzelne Projekte mit einem vielleicht in der Öffentlichkeit aneckenden Namen vorgenommen und sich darüber lustig gemacht. – Es gibt nichts Schlimmeres, als sich über kritische, widerständische Arbeiten lustig zu machen! Gerade 70 Jahre nach dem Brand des Justizpalastes wäre es der Sozialdemokratie sehr wohl gut angestanden, eine kritische Arbeit zu Staatssymbolen und Staatswappen zu loben und zu fördern! (Beifall bei den Grünen.)

Das hat Methode, und das ist in der Tat unheimlich. Aber ich denke, die Unheimlichkeit wird geringer, wenn die Motive durchschaubar und in dieser klaren Form erkannt werden. Es kommt nicht darauf an, was Josef Cap hier als Kultursprecher sagt, es kommt auch nicht auf den Diskurs mit Sichrovsky an. Ich frage daher Josef Cap: Wer hat Interesse daran, daß permanent Feindbilder beschworen werden und gesagt wird: Wir schützen das Bollwerk, dort ist das Feindbild? Wichtiger ist: Wie ist die Haltung hier? Wie lautet hier der Diskurs? Welche kritischen Worte werden hier angebracht, und wie willst du, Josef Cap, sicherstellen, daß jetzt nicht mit den Künstlerinnen und Künstlern dasselbe passiert, was mit den AusländerInnen, den StudentInnen, den Frauen, den SozialhilfebezieherInnen schon passiert ist?

Ich kann und will keine Empfehlungen vor allem an die Künstlerinnen und Künstler geben, ich denke mir nur meinen Teil. Es hat einmal in einem zurückliegenden Wahlkampf ein Plakat der Grünen gegeben, darauf war ein Bleistift abgebildet, und darunter stand der Text: Zu den Waffen! – Ich glaube, das ist auch jetzt angesagt. Über diese bewußt verursachte Politik, mit Gespenstern und Feindbildern High-noon-Stimmung zu produzieren, damit man dann sagen kann: Wir sind das geringere Übel!, über diese klar durchschaubare Strategie sollte man schreiben und immer wieder reden. Das sind die Waffen, die die Künstlerinnen und Künstler haben, ihre friedlichen Waffen: ihre Federn, ihre Bleistifte, ihre Pinsel. Damit können sie sich zur Wehr setzen. Es wird ihnen wohl nichts übrigbleiben in dieser Steppe, in dieser Wüste zwischen den wenigen gut bewässerten Oasen, als jedes, aber auch jedes Mittel anzuwenden – die Wünschelruten, die Spaten, die Leitungen, die sie anzapfen können – , um doch noch zu Wasser zu kommen und sich selbst ihre Gießkannen zu schaffen. (Abg. Dr. Cap: Das ist eine Wald- und Wiesenrede!)


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