Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 90. Sitzung / Seite 19

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in der Form sehe, daß Österreich am Aufbau einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsarchitektur auch durch den Beitritt zu einer gesamthaften europäischen Sicherheitsorganisation mitwirkt. Zweifelsohne ist die mit Abstand effizienteste, die mit Abstand wirksamste und bedeutendste Organisation jetzt und für die nächsten Jahre die NATO.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Verteidigungsminister! Sie wissen, daß diese Frage der Zukunft der österreichischen Sicherheitspolitik auch eine Zeitfrage ist und es nicht unerheblich ist, wann diese Entscheidung getroffen wird. Sie selbst haben angedeutet, daß diese Entscheidung möglicherweise erst nach den nächsten Nationalratswahlen getroffen werden kann. Ich halte das für unverantwortlich. Herr Bundesminister! Was werden Sie unternehmen, um zu verhindern, daß diese wichtige Frage der Zukunft der österreichischen Sicherheitspolitik zu einem Wahlkampfthema gemacht wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, daß ich dafür eintrete, daß diesbezüglich die Entscheidung so früh wie möglich getroffen wird, und zwar deshalb, weil uns damit auch die beste Möglichkeit gegeben ist, den gegenwärtigen Aufbau und Werdungsprozeß im Rahmen der europäischen Sicherheitsarchitektur am stärksten mitzugestalten. Was ich darunter verstehe, ist folgendes: Es werden jetzt nicht nur grundlegende Entscheidungen getroffen, sondern auch Entscheidungen und Maßnahmen eingeleitet, die über Jahrzehnte hinweg die Sicherheitslandschaft Europas prägen werden und auch enorme Rückwirkungen auf Österreich haben können.

Das heurige Jahr ist dabei zweifellos ein Schlüsseljahr. Durch den sogenannten Gründungsvertrag zwischen der NATO und Rußland, im Mai dieses Jahres in Paris abgeschlossen, ist eine wesentliche Voraussetzung für eine ganz andere Sicherheitssituation in Europa entstanden, als wir sie in den letzten Jahrzehnten kennengelernt haben. Man muß sagen, daß dieser Vertrag und gleichzeitig auch die Madrider Beschlüsse im Rahmen der NATO-Konferenz, nämlich zur Ausweitung dieser Organisation, von so grundlegender Bedeutung sind, daß dies viele Menschen vielleicht, wenn sie sich nicht näher damit auseinandergesetzt haben, noch gar nicht ermessen können.

Was bedeutet das? – Das bedeutet, daß wir uns nicht nur am Ende des kalten Krieges, sondern bereits in der Nachära, in der Zeit nach dem kalten Krieg befinden und damit in einer neuen Phase des Aufbaues. Mit dem Erweiterungsbeschluß der NATO – in Zukunft sollen auch Polen, Tschechien und Ungarn Mitglieder werden – wird zum ersten Mal seit 50 Jahren diese Teilung von Jalta, die in Teheran bereits vorweggenommen wurde, effektiv überwunden. Das ist der erste bedeutende Schritt und auch der erste Schritt, den irgendeine Organisation in diese Richtung setzt.

Es ist gleichzeitig deshalb von enormer Bedeutung, weil uns bewußt sein muß, daß eine dauerhafte Stabilisierung Europas nur auf dem Wege der Sicherheitsintegration möglich sein wird. Warum? – Ich möchte auch dazu etwas ausführlicher Stellung nehmen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist ja eine Fragestunde!)

Man muß davon ausgehen, daß es insgesamt nur drei Möglichkeiten gibt, dauerhafte Stabilität auf unseren Kontinent zu bringen.

Die erste Möglichkeit ist die Hegemonie eines Staates, der die anderen unter der Knute hält, wie das in der Vergangenheit im sowjetischen System der Fall war. – Das wollen wir nicht!

Die zweite Möglichkeit wäre, zu versuchen, durch ein Gleichgewicht der Kräfte auf Dauer Stabilität zu erreichen. Das ist aufgrund der sehr unterschiedlichen Größenverhältnisse der Staaten leider nicht möglich, sodaß auf lange Sicht die einzige realistische Möglichkeit, auf diesem Kontinent Sicherheit und Stabilität zu gewähren, die Integration auf dem Sicherheitsgebiet ist. Wir wissen aber, daß der Prozeß im Rahmen der Europäischen Union viel mehr


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