Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 93. Sitzung / Seite 107

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Ich finde, daß das ein Maß an politischer Kultur ist, wie man es selten in Europa und auf der Welt findet, denn solche Systemänderungen sind woanders mit weit größeren politischen Auseinandersetzungen auch auf der Straße verbunden.

Ich meine, daß man das bei all der Kritik, die man üben kann und die legitim ist, auch hervorheben muß: Daß bis zur letzten Minute auch parallel zum Parlament mit den Interessenvertretungen verhandelt wurde, verdient sicher keinen Schönheitspreis in bezug auf den Parlamentarismus, aber das Ergebnis und die Zustimmung der Interessenvertretungen sind es wert, daß wir das so akzeptieren, und auch, daß man das als einen Beitrag zur politischen Kultur in diesem Land begreift und es nicht nur als schädlich für das parlamentarische Verfahren ansieht.

Das Endergebnis, einen Systemwechsel zu erreichen, der unter der Zustimmung der Betroffenen und ohne gewalttätige Auseinandersetzungen vor sich geht, ist meiner Ansicht nach ein großer Erfolg für die österreichische politische Kultur und für die in diesem Zusammenhang tätigen Parlamentarier, Interessenvertreter und Regierungsmitglieder.

Es ist aber völlig klar – und das sage ich auch ganz offen –, daß heute niemand abschätzen kann, wie unsere Produktivitätsentwicklung in den nächsten 30 Jahren aussehen wird, wie sich unsere Beschäftigungssituation in den nächsten 30 Jahren entwickeln wird. Da auch niemand vorhersehen kann, wie die gesamte Lohn- und Einkommenssituation in 30 Jahren aussehen wird, macht meiner Auffassung nach auch verständlich, daß wir jetzt einen wesentlichen Schritt gesetzt haben, und zwar auf Basis dessen, was wir heute annehmen können und was jetzt möglich ist.

Das Ergebnis ist nach der Reißbrett-Theorie zwar keine optimale Reform – das keineswegs! –, aber es ist das Optimalste, was unter den derzeitigen politischen und sozialen Bedingungen durchsetzbar war. Daher ist es in Summe ein Erfolg. (Beifall bei der SPÖ.)

16.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. – Bitte.

16.00

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte an die Ausführungen meines Vorredners, des Herrn Kollegen Gusenbauer, anknüpfen. Lieber Kollege Gusenbauer! Du hast völlig recht, wenn du sagst, daß die Reform das Ergebnis der Verhandlungen ist und daß dieses Ergebnis auch Ausdruck ganz konkreter Machtverhältnisse ist. Aber, meine Damen und Herren und Herr Kollege Gusenbauer: Dieses Ergebnis ist ein schlechtes Ergebnis, und es ist am Ausgangspunkt der Gespräche, der Verhandlungen zu messen.

So gesehen ist zu sagen, daß die Bundesregierung, in den Verhandlungen durch Herrn Staatssekretär Ruttenstorfer angeführt, ihr Ziel nicht wirklich erreicht hat. Das muß hier im Hohen Hause gesagt werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Kollege Gusenbauer hat auch gemeint, und ich stimme diesbezüglich mit ihm überein, daß sich die Ereignisse und Abläufe nicht auf höchstem ästhetischem Niveau bewegt haben. Daher hat es mich unangenehm berührt, als ich die Rede von Herrn Klubobmann Khol gehört habe, in der er mit sehr pathetischen Worten geschildert hat, wie intensiv hier im Parlament diskutiert worden ist, daß man Vorschläge, Abänderungsanträge und so weiter einbringen konnte und daß dann umfassend darüber diskutiert worden ist.

Meine Damen und Herren! Ich meine, Herr Klubobmann Khol hat da ein völlig falsches Bild der tatsächlichen Situation gezeichnet. Leider ist er jetzt nicht hier, sonst hätte ich ihn gefragt, in welchem Parlament er sich in den letzten Tagen aufgehalten hat. (Abg. Dr. Khol betritt den Plenarsaal.)

Herr Kollege Khol! So wie Sie den Ablauf der Verhandlungen geschildert haben, haben diese bei weitem nicht stattgefunden! (Abg. Dr. Khol: Sie waren halt nicht überall dabei!) Lieber Kollege


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite